Von wegen sexuelle Befreiung und tolerante Gesellschaft – es mag zwar Fortschritte in den letzten fünf oder sechs Jahrzehnten gegeben haben, verursacht etwa durch die Einführung von einigermaßen sicheren Verhütungsmitteln, durch den Stonewall Riot der Schwulen und Lesben und vielleicht auch durch die Flower-Power-Bewegung und eine schleichende Emanzipation von der Kirche, aber diese Fortschritte sind längst nicht irreversibel und betreffen nur einen Teil der Welt, während sich in anderen Teilen kaum etwas tut oder die Lage gar schlimmer wird. Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika, Gruppenvergewaltigungen in Indien, desolate Zustände im amerikanischen Bible Belt und eine zunehmend prekärer werdende Lage für Homo- und Bisexuelle und Transgender in Afrika, Russland und anderen Gebieten sind dabei nur die Spitze des Eisberges von Unterdrückung und Bewusstseinsverdunkelung.
So gesehen sind alle bisherigen Erfolge bei der Befreiung der Sexualität eher kosmetischer und temporärer Natur. Fortschritte gibt es immer nur lokal und in kleinen Stücken und müssen oft genug gegen den Widerstand konservativer und religiöser Kreise vor Gericht erkämpft werden – wenn einem die Möglichkeiten eines zumindest halbwegs demokratisierten Landes zur Verfügung stehen.
Offiziell hat, zumindest in den zivilisierteren Gegenden, jeder Mensch das Recht auf die freien Entfaltung seiner Persönlichkeit – und die Sexualität ist ein sehr wesentlicher Bestandteil unserer Persönlichkeit, und ihre immer noch gegenwärtige Unterdrückung und Entstellung hat Züge von subtiler bis brachialer Gehirnwäsche. Das heißt, wir sind, oft auch in uns selbst, nicht frei wir selbst zu sein. Wir werden geprägt von unserer Erziehung, unserer Umgebung und der Medienlandschaft und ganz offen beeinträchtigt durch eine restriktive bis lebensbedrohende Gesetzgebung.
Und diese innerlich zerrissenen, engstirnigen und verklemmten Menschen, die wir alle mal mehr, mal weniger sind, bestimmen den Lauf der Welt und damit unsere Zukunft und die Zukunft der kommenden Generationen. Symptomatisch für unsere Lage, sozusagen als Markerelement ist dabei die Lage der Homo- und mehr noch der weiterhin totgeschwiegenen Bisexuellen. Hier kann man gut erkennen, wie entwickelt und zukunftsfähig eine Gesellschaft ist.
Dieses Buch über Sexualität, das in der Reihe „Eine Zukunft für die Zukunft“ erschienen ist, legt den Finger auf die Schwachstellen unserer Haltung zur Sexualität. Es bietet eine Fülle von Anregungen und Denkanstößen und versucht, sich und den Leser von allen vorgefertigten Konzepten, Denkschemata, Zwängen und blinden Flecken freizumachen und in allen Bereichen des Lebens einen neuen Blick auf die Sexualität zu ermöglichen, sei es in der Evolution, der Kunst, der Wissenschaft, der Philosophie, der Religion, der Spiritualität und der Bewusstseinsforschung.
Wenn wir in uns und auf der Welt etwas ändern wollen, dann ist es mit Flickschusterei nicht getan. Wir müssen selbst unser Bewusstsein zum Wachstum anregen und frei werden und den kommenden Generationen ein Beispiel sein, damit sie nicht wie wir in Dunkelheit, Zweifel und Unsicherheit aufwachsen müssen, sondern sich in einer liebevollen Welt entfalten können, in der innen alle Möglichkeiten offen stehen.
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