Kapitel 02 – Nation und Bewusstsein
… Aber wenn man genau hinsieht, dann gibt es so etwas wie eine nationale Identität eigentlich kaum, zumindest keine statische, unveränderliche, historische Identität. Wenn etwa ein Bayer auf seine bayerischen Wurzeln stolz ist, dann ist er auf etwas stolz, das es in dieser Form eigentlich nicht gibt, denn es gab nie einen originären Stamm der Bajuwaren. Die Volksgruppe, die heute gemeinhin als Bajuwaren bezeichnet wird, entwickelte sich aus keltischen Boiern und vermischte sich mit Markomannen, Goten, Langobarden, Alemannen und schließlich mit den multinationalen Römern. Vor allem im groß-europäischen Raum gibt es kaum Volksgruppen, die auf eine Geschichte zurückblicken können, die nicht von Zuwanderungen und Verschmelzungen, vor allem auch aus der Zeit der Völkerwanderungen und diverser Kriege, geprägt ist. Eine nationale Identität hat also wenig bis nichts mit Geschichte und biologischer Abstammung zu tun, und sie ist vor allem nicht statisch, sondern verändert sich kontinuierlich. Die deutsche Identität ändert sich heute durch die türkischen und südeuropäischen Gastarbeiter und die osteuropäischen Flüchtlinge genau so wie sie sich früher durch die Völkerwanderungen geändert hat. Ein Zeitraum von fünfzig Jahren seit Beginn der Gastarbeiterzuwanderung mag, vor allem angesichts der mangelnden Integration mancher Türken, als große Zeitspanne erscheinen, ist geschichtlich aber nur eine Marginalie. Es ist sicher nicht so, dass die Einflüsse zuwandernder Kulturen auf die damalige Bevölkerung schmerzlos und ohne Ressentiments abliefen, und die Integration dauerte sicher hundert bis zweihundert Jahre, aber was die Zuwanderer damals mitgebracht haben, betrachten wir heute als integralen Bestandteil unserer Kultur.
Eine Kultur ist nur dort lebendig, wo sie sich bewegt, wo sie neue Elemente in sich aufnimmt und Dinge neu betrachtet. So gesehen sind Dinge wie kulturelle Reinheit oder etwa Trachtenvereine als Totengräber der lebendigen Kultur Dinge für das Museum. Nationale Kultur und Vitalität braucht ebenso wie ein Mensch und auch jedes andere Lebewesen Wachstum, Veränderung und andauernde Entwicklung, denn in der Stagnation, im ausschließlichen Beharren auf dem Althergebrachten liegt nicht nur der körperliche Tod, sondern auch der Tod von Kultur und Identität, so wie ein Fluss, der nicht mehr fließt, verlandet und stirbt. In diesem Sinne sind die größtenteils unfreiwilligen Völkerwanderungen, die zur Zeit auf der Erde wieder in großem Maßstab stattfinden, auf lange Sicht gesehen eine Chance auf ein Aufbrechen verkrusteter Strukturen und ein kleiner Baustein auf dem Weg zu einer übernationalen, globaleren Kultur, vorausgesetzt man schafft es, nationale und territoriale Egoismen zu überwinden, indem man etwa die ohnehin unausweichliche Veränderung annimmt und es schafft, ein Bewusstsein der Offenheit, des Annehmens, der Zusammenarbeit und des Fortschrittswillens zu erzeugen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Problem der Globalisierung. Diese ist entstanden durch ein rasantes technologisches Wachstum, welches jegliche Art von Kontakten, Reisen, Mobilität und Warenaustausch innerhalb eines für geschichtliche Maßstäbe extrem kurzen Zeitraums ungeheuer erleichtert, dabei aber auch zu solchen Fehlentwicklungen geführt hat, dass Kleidung in China gefertigt wird, Elektronik in Taiwan, Brillengläser in Thailand usw., statt verbrauchernah zu produzieren und bevorzugt die Lebensmittel der unmittelbaren Umgebung zu konsumieren. Allerdings reagieren wir auf diese Entwicklung noch mit allenfalls mittelalterlichen Geschwindigkeiten. Das bedeutet, dass die zentrifugalen Kräfte in der gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung und damit im gesellschaftlichen Bewusstsein in kurzer Zeit enorm zugenommen haben, die kulturelle Integration und die Reaktion auf wirtschaftliche und sonstige Auswüchse damit aber nicht Schritt halten konnten.
…
Ein solcher Nationalismus und die politische Globalisierung, also das Zusammenwachsen der Nationen zu einem größeren Organismus widersprechen sich dann auch nicht mehr. Wir haben kein Problem, uns mit unserer Familie zu identifizieren, mit dem Viertel oder dem Ort in dem wir leben, mit unserer Region, mit unserer Volksgruppe, mit unserem Land – alles gleichzeitig und ohne Loyalitätskonflikte. Unser Wachstum als globaler Organismus geht, nachdem die Länder einigermaßen erfolgreich, wenn auch in Details nicht ganz zufriedenstellend, etabliert wurden, auf die nächsten beiden Stufen zu: der Gestaltung kontinentaler Organismen, wie es in Nordamerika schon fast gelungen war und woran Europa gerade hart arbeitet, und natürlich dem Aufbau eines globalen, planetaren Organismus, der erst in dem Maße, in dem er zum Leben erweckt wird, in der Lage ist, das unendliche Elend, das weite Teile Terras, unserer Welt, im Griff hat, zu besiegen, denn es liegt in der Natur eines wirklichen Organismus, dafür zu sorgen, dass all seine Bestandteile wohlauf sind, denn geht es einem Teil nicht gut, dann leiden auch die anderen darunter. Das ist eine Erkenntnis und Sichtweise, die sich in der Politik und der Wirtschaft noch nicht durchgesetzt hat.
Die Globalisierung ist wichtig für die Gesundung unseres Planeten und für unsere Zukunft. Richtige Globalisierung bedeutet aber nicht, dass Joghurt hunderte oder tausende Kilometer weit transportiert wird, wenn es in unmittelbarer Umgebung in ausreichender Menge produziert wird. Sie bedeutet auch nicht, dass die Banken übereinander und über die Länder herfallen oder dass einzelne Länder ausgebeutet werden oder dass sich das fehlerhafte Konsumverhalten der jetzigen reichen Länder auf den ganzen Globus ausbreitet oder dass alle Länder politisch und kulturell gleichgeschaltet werden. Wirkliche Globalisierung bedeutet, dass alle gemeinsam auf einen ressourcenschonenden Lebensstil hinarbeiten, alle den gleichen Anspruch auf ein zumindest würdevolles Leben haben, alle in Liebe und Einklang miteinander leben und durch die Vielfalt der Nationen auch eine kulturelle Vielfalt und eine Vielfalt der Sichtweisen gewährleistet ist, die unser zukünftiges Leben und unsere Evolution anregen und sichern können.
Evolution benötigt Vielfalt und führt zu immer komplexeren und subtileren Organismen. Die Entwicklung einer globalen Kultur ist ein solches Ergebnis der Evolution des Menschen. Irgendwann in Jahrhunderten werden die vielen Kulturen natürlich zu einer einzigen verschmelzen, aber wer weiß, vielleicht ist es dann an der Zeit für den nächsten Schritt, ein galaktisches oder gar kosmisches Bewusstsein, sei es durch Gründung von Kolonien auf fernen Planeten oder durch Kontakt zu außerirdischem Leben. Es steht uns frei, wie wir auf der kosmischen Bühne dereinst auftreten wollen: als gewalttätige und zerstrittene Parias mit einem zerstörten Planeten oder als stolze Planetarnation Terra.
Kapitel 05 – Demokratie
… Hier zeigt sich dann auch das zweite Problem der Massendemokratie – und auch ein Lösungsansatz. Angenommen, eine solche basisdemokratische Diskussion und Entscheidungsfindung würde sich organisieren und durchführen lassen, dann gibt es immer noch das Problem der Qualifikation der Teilnehmer. Nach dem Demokratieideal sind alle Menschen gleich und haben die gleiche Stimme und das gleiche Recht. Allerdings ist dies eine mechanistische Demokratieauffassung, die nicht ganz die Wirklichkeit widerspiegelt, denn auch wenn alle das gleiche Stimmrecht haben, so hat nicht jeder die gleiche Fähigkeit, Dinge beurteilen zu können. Und nur, weil eine Entscheidung demokratisch gefällt wurde, heißt das nicht, dass sie deswegen auch richtig ist. So kann man etwa nicht über Naturgesetze abstimmen, wie es manche Fundamentalisten in den USA versuchen, wenn es um die Evolutionslehre geht, oder wie es die Industrielobby versucht, wenn sie dagegen kämpft, dass ein Großteil unseres Klimawandels hausgemacht ist. Mit Menschen, die über eine Sache nicht Bescheid wissen und womöglich auch nicht Bescheid wissen wollen, die aus ideologischen Gründen bestimmte Meinungen vertreten (hierzu zählen auch manche Aspekte der Parteipolitik), die nicht genug von einem Thema verstehen oder kein wirkliches Interesse daran haben, kann man schlecht diskutieren, und entsprechend dem Ausmaß dieser Nicht- oder Disqualifikation fällt auch der Wert einer Abstimmung aus.
Und vielen Menschen ist der eigene „Makel“ des Nicht-Verstehens (an dem die Politik gewiss nicht unschuldig ist) durchaus bewusst. Und sicherlich ist es auch einer der vielen Gründe für mangelnde und nachlassende Wahlbeteiligungen, dass viele Menschen bei vielen politischen Themen nicht mehr durchblicken, sei es die Bedeutung des Themas betreffend, oder seine Auswirkungen, Notwendigkeit und Komplexität. Und wenn man dann noch erlebt, wie sich selbst Spezialisten ob des einen oder anderen Standpunktes erbittert bekriegen, ist das nicht gerade förderlich für das Vertrauen in das eigene Vermögen, ein fundiertes Urteil zu einem Thema zu fällen.
Ein Beispiel für solch eine undemokratisch-demokratische Entscheidung ist die Einführung des Hanfverbots in den USA. Das robuste, günstige und vielfältige Hanfkraut, das z.B. für Schiffstaue unverzichtbar war, war der chemischen Industrielobby, die ihre gerade erst entwickelten Chemiefasern an den Mann bringen wollte, ein Dorn im Auge. Auf ihr Betreiben gab es einen Gesetzentwurf zum Verbot des Hanfes, in dem auf diesen als mexikanisches Teufelszeug (man war den Mexikanern damals nicht gerade wohlgesonnen) mit dem mexikanischen Namen Marie Juana Bezug genommen wurde. Marijuana war den Abgeordneten im Gegensatz zu Hanf nicht bekannt, und das Gesetz wurde ganz nebenbei abgenickt, was andernfalls nicht geschehen wäre. Das Gesetz kam also formal demokratisch zustande, aber der Einfluss der Lobbyisten, die Täuschung und die Unwissenheit waren zutiefst undemokratische Elemente, die zu einer verfrühten Polarisierung des Drogenkonsums führten und zu vielen Toten und Elend im Drogenkrieg und die die heutigen Drogenprobleme vermutlich mitverursacht haben.
Ein Ausweg aus dem Qualifikations- und Wissensdilemma wäre, wenn sich nur die Menschen an Wahlen beteiligen, die glauben, genug von der Materie zu verstehen. Doch wenn man ehrlich ist, dann sind es nur sehr wenige Menschen, die diesen Durchblick haben, und man könnte argumentieren, dass eine Dominanz von so wenigen Menschen in der politischen Entscheidungsfindung zu einer Art Technokratie führen würde – und wie schon angedeutet, sind sich auch die Technokraten nicht einig.
Wie sieht also ein vertretbarer Ausweg aus, der so nahe wie möglich am demokratischen Ideal bleibt? Die Lösung, und auch diese ist uralt und nicht erst von der modernen Demokratie erfunden, findet sich in der Repräsentation. Das bedeutet, dass man eine Person wählt, in deren Fähigkeiten man Vertrauen hat und die man quasi ermächtigt, stellvertretend für einen zu sprechen und abzustimmen. Das ist in alten Stammesverbänden nicht anders, als in den heutigen, offiziellen Demokratien, nur ist es dort einfacher, weil ein Vertreter, also ein Chef oder Häuptling ausreicht und dieser auch unmittelbar am Leben des Stammes teilhat, die Probleme des Volkes also seine eigenen sind, und durch diese gute Integration kann er auch schnell wieder abgewählt werden, wenn er seine Aufgaben nicht gut erfüllt oder ein besser geeigneter Kandidat auftaucht.
In den zeitgenössischen großen Demokratien ist die Lage dagegen viel schwieriger. Da sind sehr viele Menschen aufgerufen, einen Vertreter zu wählen, den sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle überhaupt nicht kennen. Man kann hier nur jemanden wählen, weil er oder sie gut aussieht oder einem sympathisch und kompetent erscheint (was nichts über tatsächliche Fähigkeiten und Ansichten aussagt), weil er zu einem Thema, das einem wichtig erscheint, die richtige Meinung vertritt (aber vielleicht nicht zu anderen Themen), weil die Gegenkandidaten eine noch schlechtere Wahl zu sein scheinen (obwohl sie sich vielleicht nur schlechter darstellen können) oder weil man nur so eine bestimmte Partei unterstützen kann. Repräsentanten, die auf diese Weise gewählt werden, sind keine wirklichen Repräsentanten, sondern vor allem Menschen, die sich gut verkaufen können und die von ihren Parteien aufgestellt und gefördert werden, etwa über die undemokratische Listenaufstellung, die dafür sorgt, dass Politiker, die der Partei wichtig erscheinen, auf jeden Fall gewählt oder wiedergewählt werden, auch wenn sie in einer Direktwahl wohl keine Chance hätten – vielleicht weil sie unpopulär sind oder mit dem ganzen Wahlkampfgeschehen nicht gut zurecht kommen.
Und damit ergibt sich dann schon ein großes Problem: die Parteien. Diese sind gegenwärtig global gesehen die fast unumstrittene Verkörperung des Repräsentationsgedankens. Dieser bedeutet ja, dass die Menschen einen kompetenten Vertreter wählen, der sie und ihre Interessen vertritt, was schon immer nur sehr grob und annäherungsweise möglich ist. Die demokratischen Systeme auf unserem Planeten sind nun überwiegend so strukturiert, dass Repräsentanten meist einer Partei angehören oder ihr gar angehören müssen, sei es nun in einem Ein-, Zwei- oder Mehrparteiensystem. Wenn man also einen Vertreter wählt, so wählt man gleichzeitig auch eine Partei, und in der Regel wählt man mehr den Parteivertreter als den individuellen Menschen, unabhängig von dessen Parteizugehörigkeit, denn diese Menschen vertreten weniger ihre eigene, unabhängige Ansicht als vielmehr die Ansicht der Partei, deren Mitglied sie geworden sind und die sie aufgestellt hat und unterstützt. Man hat also im Grunde genommen nur die Wahl zwischen Parteien und ihren Parteiprogrammen, also zwischen verschiedenen Übeln, denn ein Parteiprogramm ist ein Paket von verschiedenen Absichtserklärungen, die sich zwar in manchen Punkten nicht sonderlich voneinander unterscheiden, die aber in ihrer Zusammensetzung kaum jemals die Meinung des Wählers widerspiegeln, denn während ihm vielleicht einige Punkte zusagen, trifft dies auf andere womöglich nicht zu, die eine andere Partei vielleicht besser repräsentieren würde. So ist jede Wahl also weniger die Wahl eines Volksvertreters, sondern eher der Versuch, das kleinere Übel auszuwählen, sofern man überhaupt in der Lage ist zu verstehen, was die einzelnen Programmpunkte in ihrer letzten Konsequenz eigentlich bedeuten.
Wenn man sich das so ansieht, so könnte man sagen, dass eine Partei den Charakter einer Entität, einer Person hat, und wir also bei Einparteiensystemen nur eine Person zur Auswahl haben, bei Zweiparteiensystemen deren zwei und bei Mehrparteiensystemen drei bis vielleicht maximal zehn. Die Wahrscheinlichkeit, unter diesen wenigen Personen eine zu finden, die in der Lage ist, unsere Interessen auch nur halbwegs authentisch zu vertreten, ist minimal, und da verliert auch die Frage, ob man jetzt eine oder zehn Personen zur Auswahl hat, an Bedeutung. Außerdem ist es so, dass diese wenigen Personen vor allem damit beschäftigt sind, sich ideologisch voneinander abzugrenzen – was manchen Parteientitäten gar nicht so leicht fällt, weil keine großen Unterschiede existieren – und darüber hinaus gegeneinander um Dominanz kämpfen. Der Kontakt zur Basis ist hierbei längst verloren gegangen, und manchmal scheint es so, als ob das Beharren auf einer anderen Meinung wichtiger ist als das Treffen einer richtigen Entscheidung.
Es scheint so, als ob für die Parteien Balzrituale, Rang- und Revierkämpfe zum Zwecke der Machtausübung und des Machterhalts und manchmal, bei religiösen und/oder fundamentalistischen Parteien, auch die eigenen Agenden wichtiger sind, als das Wachstum und Wohlergehen des Volkes und der gesamten terrestrischen Bevölkerung. Der Demokratieverkörperungsgrad ist – allein schon systemimmanent – recht gering. Durch den Entitätscharakter der Parteien und die damit verbundenen Gesamtagenden hat man als Wähler nicht die Möglichkeit, wirkliche Repräsentanten der eigenen Meinung zu finden. Man kann also nicht behaupten, dass das traditionelle Parteiensystem ein erfolgreicher Ausdruck der Bemühung um Demokratie ist. Ganz im Gegenteil drängt sich manchmal, etwa bei Verflechtungen mit der Finanzwelt oder der Lobby, der Eindruck auf, dass sich im politischen System schleichend und fließend eine neue Art der Aristokratie etabliert, die das System zum eigenen Vorteil zweckentfremdet und gestaltet.
So ist es auch kein Wunder, dass die Parteien zu wirklich demokratischer Entscheidungsfindung, die das Wohl aller in den Vordergrund stellt, nicht in der Lage sind. Durch die eigene Agenda, die zum Teil ideologisch festgeschrieben ist, und das Konkurrenzdenken, aber auch durch ein dominantes und überbewertetes Mehrheitsprinzip, gerät ein essenzieller Grundsatz des demokratischen Ideals immer mehr ins Hintertreffen, falls er überhaupt jemals von Bedeutung war. Es geht dabei darum, dass das Wohlergehen des gesamten Volkes im Fokus stehen sollte, und nicht nur die Befindlichkeit einer ohnehin nur temporären und illusorischen Mehrheit. Das bedeutet, dass sie sich immer nur auf ein bestimmtes Thema bezieht. Eine Mehrheit von Menschen, die von einem Thema betroffen sind, ist nicht die gleiche Mehrheit, die zu einem anderen Thema existiert. Und jeder, der irgendwo einer Mehrheit angehört, ist in einem anderen Bereich ein Angehöriger einer Minderheit.
Eine Partei, die von einer Mehrheit gewählt worden ist, trifft im Namen dieser Mehrheit Entscheidungen, die in manchen Bereichen dem Wunsch dieser Mehrheit entsprechen, in anderen Bereichen aber nicht, weil man diese durch den Paketcharakter der Parteilinie um anderer Eigenschaften willen mitgewählt hat. Die Parteien treffen also Entscheidungen, die formell dem Wählerwillen entsprechen, vom Wähler aber nicht unbedingt explizit gewollt werden. Das ist wie mit manchen Gesetzespaketen, die als Ganzes zur Abstimmung gebracht werden, aber Gesetze enthalten, die ansonsten, für sich allein aber – ob nun zu Recht oder Unrecht – keine Chance hätten. Oder, um den Vergleich von Forrest Gump über das Leben etwas zu modifizieren: Unser Parteiensystem und unsere Demokratie ist wie eine Pralinenschachtel: Man weiß nie, wie viele gute Pralinen drinnen sind, aber man nimmt die schlechten um der guten willen in Kauf, weil man sie halt nur als Ganzes bekommt.
Und was man bekommt, wird von der Mehrheit festgelegt. Zwar hat das ganze Volk gewählt – oder stellvertretend 50 oder 70 % davon –, aber bestimmen tut die Mehrheit. Wenn eine Partei 49,99 % der Stimmen erhält und die andere 50,01 %, dann sorgt die Differenz von 0,02 % dafür, dass die eine Hälfte des Volkes durch ihre Vertreter über die andere Hälfte des Volkes bestimmt. Zwar haben alle Volksvertreter Rederecht und auch Wahl- und Abstimmungsrecht, aber durch moralischen Druck, Parteilinie und Fraktionszwang sind viele Abstimmungen weder wirklich frei noch ergebnisoffen. Und der Auftrag an die Regierung, zum Wohle aller zu agieren, hängt vor allem vom Gutwillen der Regierung ab und davon, ob Gefahr besteht, dass sich das Handeln oder Nicht-Handeln negativ auf die nächste Wahl auswirkt.
Das Problem mit der Mehrheit ist, dass sie das Volk, wenn man es etwas krass ausdrückt, in Herrscher und Beherrschte teilt. Die Mehrheit kann festlegen, wonach sich die Minderheit richten muss. Religiös-fundamentalistische Regierungen können also, sobald sie über die notwendige Mehrheit verfügen, den religiösen Minderheiten das Leben schwer machen. Und eine heterosexuelle Mehrheit kann einer homosexuellen Minderheit verbieten, zu heiraten. Das mag formal und rechtlich im Augenblick vielleicht in Ordnung sein, aber von einem zukünftigen Standpunkt, moralisch und in Hinblick auf das Grund- und Menschenrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist das grundfalsch. Und außerdem ist es undemokratisch, weil es bedeutet, dass jemand nur dann Rechte hat, wenn er sie durchsetzen kann, er also in keiner Weise einer Minderheit angehört.
Dass das demokratische System so etwas erlaubt, ist ein gravierender Makel der Demokratie, und dass es gemacht wird, ist ein gravierender Makel der Gesellschaft. Das Interesse einer jeden Gesellschaft und wie auch immer gearteten Regierungsform sollte es sein, …
Kapitel 06 – Religion
Hätte Gott sich eine ganz bestimmte Religion für uns vorgestellt, dann hätte er sie auch überall auf der Welt simultan gründen können. Aber wir sind Individuen, nationale Charaktere, kein faschistischer Einheitsbrei, und die Religionen, die wir sehen, sind, wenn man es positiv sehen will, Gottes Hilfestellung für unsere Entwicklung. Wären die Menschen in ihrer Entwicklung weiter, dann würden sie auch ohne Religionen auskommen, die zwar vielleicht einen göttlichen Ursprung haben mögen, aber im wesentlichen menschliche Konstrukte sind. Als solche haben sie die Aufgabe, uns näher zu Gott zu bringen, was die Vertreter der Religionen aber nicht wirklich zu interessieren scheint, da sie sich in jeder Hinsicht der Stagnation verschrieben haben, weshalb sich aufgrund eines global gewachsenen Anstiegs des durchschnittlichen Bewusstseinslevels immer mehr Menschen auf ihre eigene, unabhängige Suche machen und sich von den überalterten Religionen lossagen.
Warum also sollte man unter diesen Umständen diese fossilen Religionsinstitute an der Politik und der Regierung beteiligen? Statt einem Ansporn zu Stagnation und Repression brauchen wir eine Agenda des Fortschritts, die uns nicht nur die Freiheit gibt, uns auf unsere eigene seelisch-spirituell-religiöse Suche zu machen, sondern uns aktiv dazu ermutigt, statt uns in das Korsett geistiger Enge und religiöser Starrheit zu zwängen. Darüber hinaus können religiös geführte Regierungen nicht wirklich demokratisch sein, denn während Gott uns alle Freiheiten lässt, beschränkt die Religion diese in seinem Namen und möchte einen ganz bestimmten, jeweils verschiedenen Zustand für alle Zeiten und die ganze Welt unverrückbar festschreiben. Zum Wesen der Demokratie gehört es hingegen, dass nichts unverrückbar ist, sondern dass sich ein Wandel in der Entwicklung des Bewusstseins und der Gesellschaft jederzeit auch in der Politik und der Gesetzgebung niederschlagen kann, so es denn nötig ist. Somit ist die Demokratie näher am vermutlichen göttlichen Ideal der stetigen Entwicklung und Evolution als die Religion.
Außerdem sind fast alle modernen Staatsgebilde mittlerweile multikulturell und multireligiös. Wenn es also einer Religion gelingt, sich durchzusetzen und eine weltliche Machtposition zu erringen, dann müssen alle Andersgläubigen, Nicht-Religionsgläubigen, Nicht-Religiösen und Atheisten darunter leiden und ebenso die Anhänger dieser Religion, die diese weniger restriktiv interpretieren oder die in einer freien Gesellschaft mit einer freien Religionsauffassung Fortschritte in ihrer individuellen Evolution gemacht hätten. Aufgabe einer Demokratie ist es aber, …
Kapitel 07 – Prinzipien des Rechts
Drei der dann notwendigerweise sekundären und für die Gegenwart uneingeschränkt praktikablen Axiome wurden bereits als Ideale für die Französische Revolution formuliert: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Dass diese Axiome sekundär sind, sieht man daran, dass sie in gewissem Rahmen miteinander verknüpft und austauschbar sind. So ist Gleichheit in einem Zustand der Unfreiheit nicht vorstellbar, denn wenn manche freier sind als andere, können sie nicht die gleichen Chancen haben. Umgekehrt ist es ähnlich; wenn die Menschen in ihren Rechten und theoretischen Ausdrucksmöglichkeiten ungleich sind, können sie sich nicht frei entwickeln. Und Freiheit und Gleichheit können nur in einem Klima der Brüderlichkeit gedeihen, und wahre Brüderlichkeit führt unweigerlich zu Freiheit und Gleichheit, ebenso wie die aufrichtige Bemühung um Freiheit und Gleichheit letztendlich in einen Zustand der Brüderlichkeit münden muss.
Dieser Revolutionsslogan hat seinen Ursprung in der Aufklärung, war aber ansatzweise, soweit es die damalige Bewusstseinsentwicklung und die kaum hinterfragte Allgegenwart von Knechtschaft und Sklaverei erlaubten, schon in den ältesten Gesetzgebungen enthalten. Doch erst mit Beginn der Aufklärung wurde das Ende der Sklaverei eingeläutet und damit einhergehend das Ende der autokratischen Mächte von Aristokratie und Tyrannen. Freilich ist das nur der Beginn, und die alten Verhaltensmuster streben immer noch danach, sich in unserer Gesellschaft zu manifestieren, sei es in den Beziehungen von Chefs und Angestellten, in machtlüsternen Politikern und Kirchenfürsten und obrigkeitshörigen Bürgern und gutgläubigen Gläubigen, oder in einflussreichen, wenn nicht faktisch regierenden Großkonzernen, Banken und mafiösen Strukturen und defätistischen, alles hinnehmenden Menschen.
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ist ein Ideal, das längst noch nicht annähernd verwirklicht wurde und das sich gut als politisches Leitbild eignet. Aus ihm lassen sich alle Axiome dritten Grades …
08 – Zukunftspoltik
Wahlen
In den kleinen Gemeinschaften, und vor allem auch in den höheren hierarchischen Ebenen, aber durchaus auch für Plan A, kann eine neue und zeitgemäßere Form der Wahldurchführung hilfreich sein.
Die bisherigen Wahlen zeichneten sich dadurch aus, dass die zu wählende Welt in verschiedene Lager und Feindbilder gespalten war – und der Sieg eines dieser Lager war das Wahlziel. Wenn man das in die Praxis übersetzt heißt das, dass eine Partei, die von einem Teil der Bevölkerung gewählt wurde (in der Regel unter 70 %) für ALLE Menschen Politik machen kann. Eine auf diese Weise zustande gekommene und ausgedrückte Demokratie stützt sich also auf Kampf, Gegeneinander, Neid und Feindschaft, die auch nach der Wahl, in Hinblick auf die nächste Wahl, das politische Leben bestimmen. Dass bei dem ganzen Gegeneinander nicht viel Füreinander herauskommt, ist darum nicht verwunderlich.
Wenn man Plan A, also die Alte Welt, reformieren möchte, so muss man damit anfangen, die Existenzberechtigung der Parteien in ihrer jetzigen Form in Frage zu stellen, weil sie schon längst den Kontakt zur Basis verloren haben, durch ihre programmatische und ideologische Festlegung nicht wirklich flexibel genug sind, sich mit dem Wandel der Gesellschaft mitzuwandeln und weil sie zu sehr an ihrer Existenz hängen und darum Angst vor ihren Wählern haben. Das ganze System ist unflexibel und nicht auf Aufrichtigkeit aufgebaut und ausgerichtet.
Was die Menschen bewegt sind nicht wirklich parteipolitische und programmatische Fragen und Feindbilder, sondern Fragen der Wirtschaft, des Gemeinwohls, des Überlebens und des Zusammenlebens auf allen Ebenen. Das sind Sachfragen, aber keine wirklich parteipolitischen Fragen. Und diese Fragen gehen alle an, und nicht nur die Wähler der siegreichen Partei. Die politische Entscheidungsfindung sollte also die Bedürfnisse aller berücksichtigen und nicht nur den Teil der siegreichen Wähler, denn kaum jemand stimmt mit allen Programmpunkten der gewählten Partei überein. Man kann immer nur versuchen, das geringste Übel für die eigenen Prioritäten zu wählen. Das bedeutet, dass Wahlen in der bisherigen Form auf den bisherigen parteipolitischen Grundlagen nicht wirklich repräsentativ sind, sondern mehr den Charakter eines Notbehelfs haben.
Um das gegenwärtige politische System sinnvoll zu reformieren, muss man an zwei Punkten ansetzen: Wer wird gewählt und wie wird gewählt.
Die Frage nach dem „Wer“ lässt sich sicherlich auf vielfältige Weise beantworten, abhängig vom jeweiligen Ausgangspunkt. Wenn man etwa das gegenwärtige Parteiensystem nimmt, dann gibt es keine großen Wahl- und Variationsmöglichkeiten: Gewählt werden kann im Wesentlichen, wer sich einer Partei anschließt und sie überzeugen kann, bei Wahlen aufgestellt zu werden. Die Partei wählt also aus, wer gewählt werden kann und wer nicht. Anders ausgedrückt bestimmt eine kleine Gruppe von Menschen vorweg, wer für die Bevölkerung zur Wahl steht. Das mag innerparteilich auf demokratische Weise geschehen, aber es gibt irgendwie keine demokratische Legitimation für die Menschen, die an den innerparteilichen Schalthebeln sitzen. Und wer keine Partei findet, die ihm/ihr zusagt oder der er/sie zusagt, der ist praktisch nicht wählbar.
Von einem solchen Ausgangspunkt ausgehend, kann man sich eigentlich nur noch die Frage stellen, was nach der Wahl passiert, denn hier liegt die erste Reformmöglichkeit. Die Bemühung um eine Erneuerung der Regierung wird immer von sehr martialischen Begriffen begleitet, von entweder-oder, von Sieg oder Niederlage, von Kampf, von Herrschen… und ist Ausdruck einer archetypischen Dualität wie Gut und Böse oder Schwarz und Weiß. Und der „Sieger“ darf das Geschehen, die Verlierer und die Menschen, die von ihnen vertreten werden dominieren. Das bedeutet, dass die Stimmen einer Minderheit, die knapp die Hälfte der Bevölkerung ausmachen kann, keinen wirklichen Wert haben.
Eine erste Minimalreform, die etwas mehr Wahlgerechtigkeit schaffen würde, müsste also dazu führen, dass jede Partei entsprechend ihrer Wählerstimmen an der Regierung beteiligt wird und nicht nur das Recht hat, vergeblich gegen die Entscheidungen der „Siegerpartei“ anzurennen. Das sollte theoretisch dazu führen, dass die Bevölkerung umfassender repräsentiert wird, und die Regierung gezwungen wird, stärker zusammenzuarbeiten und das Wohl und die Wünsche der Gesamtbevölkerung vor Augen zu haben, und nicht nur das Wohl der eigenen Klientel. Diese Entwicklung könnte man noch etwas unterstützen, indem man die Hürde für Regierungsentscheidungen so hoch setzt, dass sie nur noch mit einem überparteilichen Konsens zu meistern ist, also mindestens 70 oder 75 %. Eine solche Hürde könnte vielleicht die Konzentration auf Sachfragen fördern und ineffektive Schaukämpfe vermindern. Aber solange Politik von den Politikern als Arena für Machtkämpfe betrachtet wird und nicht als Werkzeug für die gemeinsame und aufrichtige Bemühung um unser letztlich globales Wohlergehen, ist ein solcher Keuschheitsgürtel wohl unerlässlich.
Entschärfen ließe sich das Problem, wenn man eine Möglichkeit finden könnte, auf polarisierende Parteien zu verzichten und jedem interessiertem Bürger die Möglichkeit bieten könnte, sich zur Wahl aufstellen lassen zu können. Doch das dürfte nicht einfach werden.
…
Auch das Wahlverfahren müsste, egal ob für Plan A oder B, etwas reformiert und der Moderne angepasst werden. Ebenso wie das Wirken der Parteien fördert auch die zeitgenössische Durchführung der Wahlen die Bildung von Feindbildern und die Polarisierung der Gesellschaft. Die Wahlen sind gegenwärtig nicht auf Konsens ausgerichtet, sondern auf Konfrontation. Das lässt sich durch zwei relativ einfache Maßnahmen deutlich reduzieren.
Die erste Maßnahme, die vor allem für Plan A wichtig ist, besteht darin, Ministerposten per Direktwahl zu vergeben. Dazu kann jede Partei ein oder zwei Kandidaten aufstellen, die ein Konzept vorstellen müssen, wie sie sich die Durchführung ihres angestrebten Amtes und die Betreuung und Entwicklung des zugehörigen Lebensbereiches vorstellen. Der Grund dafür liegt darin, dass man bisher auf die eine oder andere Weise im Wesentlichen nur Parteien wählen kann, und zwar nur als Ganzes. Das heißt, man wählt eine Partei, von der einem 4 von 10 Programmpunkten zusagen, während die übrigen Themenbereiche vielleicht von anderen Parteien besser betreut werden, wobei es eine jede aber nur auf 2 oder 3 von 10 Punkten bringt. Das heißt, dass man bei jeder Wahl immer eine dicke Kröte (oder auch mehrere) schlucken muss. Bei einer Direktwahl könnte man themenbezogen und parteiunabhängig wählen. Auch wenn man Küngeleien damit nicht gänzlich den Riegel vorschieben kann, so sollte doch die sachbezogene Arbeit gegenüber der Politik um ihrer selbst willen gestärkt und der Geist der Zusammenarbeit gefördert werden.
Der zweite Punkt der Wahlreform betrifft die Stimmvergabe. Eine neue Technik der Stimmvergabe und der Auswertung sieht so aus, dass man bei jeder Wahl für jeden Kandidaten und/oder jede Partei oder auch zu Abstimmungen über Themengebiete eine bestimmte Anzahl an Punkten zu vergeben hat und zwar negativ oder positiv. Damit lässt sich der Rückhalt, den jemand in der Bevölkerung hat, deutlicher ablesen als bei Kampfabstimmungen, bei denen nur Ja oder Nein möglich ist.
Nehmen wir als deutliches Beispiel die amerikanischen Präsidentschaftswahlen, die immer polarisierter zu werden scheinen, und deren Ergebnisse nicht immer unumstritten sind. Ein Präsident muss für alle da sein, nicht nur für fünfzig Prozent der Bevölkerung. Die Frage an die Wähler würde also nicht lauten, wer Präsident werden soll, sondern wie jeder einzelne Kandidat in seiner Eignung für diesen Job eingeschätzt wird – das heißt, dass jeder Kandidat von jedem Wähler Stimmen bekommt, positive oder negative.
Ein Kandidat, der stark polarisiert, weil er etwa fundamentalistische Ansichten hat, mag von seinen Anhängern viele Punkte bekommen und im üblichen Verfahren vielleicht sogar gewählt werden, aber mit dem neuen Verfahren würde er von seinen Gegnern viele Negativpunkte bekommen, was seine Gesamtpunktzahl deutlich reduzieren könnte. Andererseits könnte ein anderer Kandidat für viele gut wählbar sein ohne gleich immer die Maximalpunktzahl zu bekommen und ohne von den Anhängern des Gegenkandidaten gleich maximale Minuspunkte zu bekommen, was am Schluss zu einer deutlich höheren Gesamtpunktzahl führen könnte. Im ersten Fall würde eine Kurve der Punkteverteilung jeweils einen Höhepunkt im Plus- und Minusbereich verzeichnen, während die andere einen deutlichen Höhepunkt im unteren Plusbereich hat, was die Einschätzung der Wähler dann sehr gut abbildet und den zweiten Kandidaten zum Präsidenten machen würde.
Eine solche Stimmabgabe würde dann beispielsweise für 10 Abstimmungen so aussehen: (Kandidat A/Kandidat B) = (10/-2), (-10/7), (8/3), (5/4), (-9/4), (2/8), (10/0), (-5/8), (7/2), (6/0) = (24/30). Nach dem alten Verfahren würde Kandidat A mit 6:4 Stimmen gewinnen, während nach dem neuen Verfahren Kandidat B mit 30:24 Stimmen gewinnt. Man könnte die Zahlen auch so interpretieren, dass Kandidat A von 3 Menschen abgelehnt wurde, während Kandidat B bei zwei Enthaltungen nur von 1 Menschen abgelehnt wurde, also etwas mehr Rückhalt hatte.
Dieses Verfahren setzt allerdings voraus, …
Wirtschaft
Ein Beispiel für den enormen Einfluss des Lobbyismus ist die Finanzwelt. Sie trotzt den verschiedenen Regierungen weltweit immer wieder Zugeständnisse ab und lässt sich dann von ihnen gerne aus selbst verschuldeten Krisen helfen, mit dem Ergebnis, dass sie an dieser Hilfe verdient und anschließend noch reicher ist als zuvor, während die Welt wirtschaftlich bereits am Abgrund balanciert. Hier nähert sich eine Entwicklung dem Ende, die sinnvoll und vielversprechend begann.
Das Geld, auf dem nach weitläufiger Meinung die Wirtschaft aufbaut, ist eine vergleichsweise junge und ursprünglich zweckgebundene Erscheinung, die das Leben und den Austausch von Gütern leichter machen sollte. In den ursprünglichen Kulturen gab und gibt es teilweise auch heute noch kein Geld. Statt dessen wurde in den kleinen und überschaubaren Gemeinschaften vielfach gemeinsam gewirtschaftet und geteilt und in geringem Umfang getauscht. Das war einfach, solange sich jeder im Wesentlichen selbst versorgen konnte und Gebrauchsgegenstände meist ebenfalls selbst herstellbar waren.
Als die Gemeinschaften größer und unübersichtlicher wurden, bildeten sich Spezialisierungen und Berufe heraus, und parallel dazu verstärkte sich der Tauschhandel. Dieser hatte allerdings so seine Nachteile, weil nicht jeder alles im Tausch brauchen konnte und man notfalls potenzielles Tauschgut mitschleppen musste. Außerdem war es nicht so einfach, den Wert eines Paar Schuhe in Eiern, Käse, Geflügel, Hasen, Ahlen oder Broschen auszudrücken. Da gab es bisweilen enorme Unterschiede in den Preisen und den Preisvorstellungen.
Darum wurde das Geld als neutrales und genormtes TAUSCHGUT entwickelt. Mit diesem war es möglich, Eier gegen Geld und Geld wiederum gegen Schuhe einzutauschen. Das war die ursprüngliche Funktion und Legitimation des Geldes.
Allerdings bot Geld, anders als etwa Ziegenherden, die Möglichkeit einfach Reichtum anzusammeln und war damit maßgeblich mit daran beteiligt, dass sich Arm und Reich herausbildeten und sich immer stärker voneinander entfernten. Geld wurde jetzt zum Machtmittel und zum Wert an sich pervertiert.
Die nächste Stufe der Pervertierung entstand mit den Geldverleihern und den Banken, die für ihre Dienste natürlich Geld haben wollten, aber nicht in Form einer angemessenen Gebühr, sondern in Form von Zinsen. Während bisher Geld durch Arbeit erwirtschaftet wurde, fingen die Banken an, ihr Geld mit Geld zu verdienen. Das Geld, das sie auf diese Weise ansammelten, war Geld, für dessen Erschaffung andere Leute schwer gearbeitet hatten. Diese Entwicklung wurde natürlich dadurch gefördert, dass die Gemeinschaften unüberschaubar und anonymer wurden, die Menschen den inneren Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl verloren und der individuelle Egoismus neue Blüten treiben konnte, ohne dass die Gemeinschaft die Möglichkeit hatte, dem durch sozialen Druck entgegenzusteuern, denn in zu großen Gemeinschaften fühlt sich niemand mehr persönlich verantwortlich, und diese Entwicklung setzte auch mit einer so langsamen und schleichenden Selbstverständlichkeit ein, dass die Schmerzgrenze für eine Bewusstwerdung und Infragestellung dieser Entwicklung sich immer weiter hinausschob. Und die jetzt einsetzende wirtschaftliche Entwicklung verstärkte zusammen mit dem Auseinanderdriften von Arm und Reich die Tendenz zum Eigenleben der Finanzwelt noch mehr.
Mittlerweile haben wir das nächste Pervertierungsstadium erreicht, in dem überwiegend virtuelles Geld verliehen wird, für dessen Rückzahlung aber ganz real schwer gearbeitet werden muss. Man kann das auch so formulieren, dass die Banken überwiegend real nicht existierendes Geld verleihen, das die Kreditnehmer oft mit harter Arbeit zu handfestem Geld machen. Und zu allem Überfluss wird mit dem Geld, auf dem mittlerweile unser gesamtes Wirtschaftssystem aufgebaut ist, auch hemmungslos gezockt und spekuliert, um aus Staaten, Firmen und Bürgern noch mehr Geld herauszuziehen, mit der Folge, dass unser gesamtes globales Wirtschaftssystem, das in einer Sisyphusarbeit von der real arbeitenden Bevölkerung in Gang gehalten wird, Gefahr läuft, völlig in sich zusammenzubrechen.
Dabei muss man dann auch sehen, dass das Geld, wenn es erst einmal real existiert, einen recht stabilen Wert hat, im Vergleich etwa zu einer Ziege, die nichts mehr wert ist, wenn sie stirbt. Das heißt, dass es unbegrenzt gesammelt werden kann, aber jenseits einer verhältnismäßig kleinen Summe keinen wirklichen Gegenwert mehr hat. Mit unserer Arbeit schaffen wir Dinge, die wir zum täglichen Leben brauchen (Nahrung, Kleidung, Energie), und wir schaffen über den Mittler Geld Dinge, die der Gemeinschaft jetzt und in zukünftigen Generationen zugute kommen (Bibliotheken, Begegnungsstätten, Kunstwerke, Museen, Infrastruktur). Wir schaffen also einen wachsenden Wohlstand. Nur dummerweise wird ein Teil dieses gemeinsamen Wohlstandes der Gemeinschaft dadurch entzogen, dass er in Form von Geld mit Hilfe überteuerter Kredite von den Banken angehäuft wird.
Der Sinn des Geldes lag früher darin, ein Tauschmittel zu sein und auch ein Indikator für erarbeitete Wert, und dies ist er auch immer noch. Doch mittlerweile kristallisiert sich noch ein dritter Sinn heraus: Es dient dazu, für die Gemeinschaft dauerhafte Werte zu schaffen und die Bedingungen für das Leben auf diesem Planeten Schritt für Schritt zu verbessern. Wenn man es religiös oder spirituell ausdrücken möchte, kann man auch sagen, dass es die materielle Basis für die Umsetzung eines stetig neuen Ausdrucks des Göttlichen in unserer Evolution bildet oder als Hilfsmittel die Entfaltung unseres inneren wie äußeren Potenzials fördern soll. Mit anderen Worten: Geld muss einen gemeinschaftlichen Sinn erfüllen und darf kein Selbstzweck sein, sondern muss stetig angewandt werden, um das Leben auf diesem Planeten zu erleichtern. Es nur anzusammeln, um Macht und Einfluss und Reichtum zu gewinnen, ist dagegen zwar üblich, aber trotzdem zutiefst pervers.
Monetärer Reichtum ist also im Grunde genommen kein Wert an sich, der Ansehen und Einfluss verschafft. Das mag zwar im sogenannten realen Leben der Fall sein, aber im eigentlich wirklichen, schöpferischen Leben, in dem Leben, das wirklich zählt, symbolisiert er ab einem gewissen Stadium eine Verweigerungshaltung, eine Stagnation, eine Blockade. Dieses ganze überschüssige Geld, das tot herumliegt oder in Kriege und Waffen gesteckt wird, würde locker ausreichen, die meisten Probleme der Welt zu beseitigen (Wassermangel, Umweltverschmutzung, Hunger…), wenngleich sich die Klimakatastrophe von hingeblättertem Geld sicherlich, was den bereits angerichteten Schaden betrifft, unbeeindruckt zeigen wird.
Was ebenfalls nicht wirklich durch Geld beeindruckt werden kann, ist ein wachsender Rohstoffmangel. Man kann mit Hilfe von Geld …