„Geld“, so sagt der Philosoph und Bewusstseinsforscher Sri Aurobindo in einem Brief an einen seiner Schüler, „gehört zusammen mit Macht und Sex zu den universalen Kräften, die in ihrer irdischen Umsetzung am stärksten entstellt sind und die uns davon abhalten, uns voll zu entfalten und so zu unserer wahren Menschlichkeit und Göttlichkeit zu finden, die für eine Gesellschaft nötig sind, in der die Menschen in Frieden, Liebe und Einklang miteinander leben können.“ In der mittlerweile traditionellen Auffassung von Spiritualität gab es darum das Ideal, diese Drei in ihrem Ausdruck zu vermeiden, was nur möglich war, indem man zu einem unbedeutenden und sexuell enthaltsamen Bettler wurde. Von dieser Lösung hält Sri Aurobindo aber gar nichts, sondern sagt, dass das Geld eine Aufgabe in unserem Leben und für die Entwicklung unserer Gesellschaft hat, und dass der Schlüssel dafür nicht in einer Zurückweisung liegt, sondern darin, mit dem Geld richtig umzugehen und es richtig einzusetzen, also so im Bewusstsein zu wachsen, dass man nicht zu seinem Sklaven wird, sondern es zum Wohle des größeren Ganzen einsetzen kann.
In unsere gegenwärtige Gesellschaft übersetzt, bedeutet Macht in ihrer Entstellung Politik. Die wenigsten Menschen wenden sich der Politik zu, um die Entwicklung der menschlichen Einheit zu fördern und die Grundlagen für die menschliche Entfaltung zu verbessern, sondern um Macht in irgendeiner ihrer vielen offenen oder versteckten Formen auszuüben und ihr Ego weiter anschwellen zu lassen. Richtige Politik, also richtiger Einsatz von Macht, bedeutet, über den eigenen Tellerrand hinauszusehen und ein globales Bewusstsein zu entwickeln, das sich frei von Vorurteilen, von einseitigen und religiösen Dogmen und überkommenen Wertvorstellungen dafür einsetzt, dass die Menschheit mehr zusammenwächst, sich individuell wie global in allen Bereichen des Lebens, also körperlich, vital, geistig, seelisch und spirituell entfalten kann, und dass die Ideale der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – keine leeren Worthülsen mehr sind, sondern gelebte Wirklichkeit werden.
Die Sexualität ist nicht nur in unserer heutigen Zeit, sondern seit jeher vor allem ein Ausdruck von Selbstbefriedigung und Macht. Ihre Entstellung, ihre Tabuisierung, Verteufelung und Marginalisierung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie einen ungeheuren Einfluss auf unser Leben und den Charakter unserer Gesellschaft hat. Man sieht das zum Beispiel in der intimen Verquickung von Sex, Geld und Macht, etwa wenn die Prediger und Gründer von geld- und machtgeilen Megachurches beim Verrat ihrer lauthals verkündeten Prinzipien, also beim – bevorzugt schwulen – Fremdgehen erwischt werden, oder wenn reiche Politiker über Sexaffären stürzen. Die Sexualität ist eine Urkraft und ihr Ausdruck darf ebenso wenig wie der Ausdruck der Macht sich selbst, also dem Ego, überlassen werden, sondern muss eine Entwicklung und Kultivierung erfahren, die ihren verborgenen Schatz ans Licht bringt. Aufgabe der Sexualität ist es, die Menschen einander näher zu bringen, dem Partner und danach sich selbst Freude zu spenden, den Menschen beziehungsfähig zu machen und den Boden für Freundschaft, Liebe und Einheit zu bereiten, die aber erst mit dem Hervortreten der Seele zur Blüte gelangen.
Geld ist der Dritte im Bunde. Seine entstellte Form nennt sich Kapitalismus, und es existiert gegenwärtig nur noch um seiner selbst willen und gilt darum als ein Wert an sich. Der eigentliche Sinn des Geldes liegt aber darin, die Entfaltung der menschlichen Kultur zu ermöglichen und den Güteraustausch zu vereinfachen. Es wurde nicht entwickelt, um angehäuft zu werden und die Menschheit zu spalten und eine Mehrheit zu Sklaven einer Minderheit zu machen.
Der Umgang mit Geld, Macht und Sex ist zur Zeit sehr unbewusst, extrem kurzsichtig und ziemlich egoistisch und steuert deswegen unnachgiebig auf die totale Katastrophe zu. Diese drei Begriffe stehen symbolisch für drei interagierende Schlüsselbereiche im menschlichen Dasein, die in Ordnung gebracht werden müssen, wenn unsere Spezies überleben und darüber hinaus auch noch erblühen will. Die Sexualität steht für das Miteinander der Menschen, für unsere Gesellschaft und Kultur. Wenn wir diesen Bereich in Ordnung bringen, wird eine Kultur entstehen, in der die Menschen aufeinander zugehen, offenherzig und liebevoll sind und zusammenarbeiten. Die Macht steht für die Politik, die Regelung des Miteinanders der Menschen. Wenn wir diesen Bereich in Ordnung bringen, erhalten die Menschen ein Maximum an Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten, und die Klüfte zwischen Gesellschaft und Politik und zwischen den Nationen werden sich auflösen, so dass die Politik ein lebendiger Teil der Gesellschaft wird, die Nationen zusammenwachsen und der Mensch sich nicht mehr nur als Individuum, sondern auch als Teil einer geeinten Menschheitsfamilie sieht. Das Geld steht für die Wirtschaft, also für die Regelung der Güterverteilung. Wenn wir diesen Bereich in Ordnung bringen und den derzeit grassierenden Raubtierkapitalismus gründlich überwinden und Vernunft und Liebe unser Handeln leiten lassen, dann werden Wissenschaften und Künste und Technologien zu einer neuen Blüte finden und die Lebensumstände der ganzen Menschheit verbessern, wir werden das Ende von Hunger und Elend sehen und das Ende der immer noch rasant fortschreitenden Umweltzerstörung.
Damit unsere Zukunft eine Zukunft bekommt, ist ein umfassendes Bewusstseinswachstum in diesen Bereichen notwendig. Wie dieses im Bereich Sexualität und Beziehung und im Bereich Macht und Politik aussehen kann, lässt sich in den in dieser Reihe bereits erschienenen Büchern über Polyamorie, Sexualität und Politik nachlesen. Der dritte Bereich, der zurzeit immer heftiger und schneller in Schieflage gerät, ist der wichtige Bereich der Wirtschaft, der so stark von Egoismus, Unvernunft und Gier dominiert wird, dass die mathematischen Grundlagen, auf denen die gegenwärtige Doktrin der Wachstumswirtschaft basiert und die diese relativieren und ihr einen temporär begrenzten Charakter zuweisen sowie die eigentlichen Aufgaben der Wirtschaft völlig außer Acht gelassen werden. Die Wirtschaft hat keinen eigentlichen Anteil mehr am Leben und an der Gesellschaft, sondern ist zu einem alles verschlingenden Moloch mutiert, der nur noch für sich selbst lebt. Darum ist es unumgänglich, dass die Wirtschaft zu ihrer eigentlichen Bestimmung findet oder zurückfindet und langfristig auf völlig neue Beine gestellt wird, welche die realen Möglichkeiten, die Bedürfnisse der sich entfaltenden Gesellschaft und die Anforderungen der Zukunft reflektieren. Ein Ausflug in die Vergangenheit ist hierfür sicherlich ein guter Einstiegspunkt.
Wie es in den Anfängen unserer Geschichte zuging, ist natürlich nicht aus erster Hand bekannt, aber man kann durch Logik, archäologische Forschungen und die Beobachtung gegenwärtiger „primitiver“ Stammeskulturen durchaus einigermaßen verlässliche Rückschlüsse ziehen. So zogen die Menschen anfangs sicherlich in kleinen Gruppen umher, deren Mitglieder als Gemeinschaft um das Überleben kämpften. Ganz am Anfang wird es kaum Spezialisierungen gegeben haben, aber wahrscheinlich eine nach Männern und Frauen getrennte Aufgabenteilung. Die Frauen kümmerten sich hierbei notwendigerweise um die kleinen Kinder, und da sie deretwegen in ihrem Bewegungsradius eingeschränkt waren und auch wegen den lauten Kindern nicht mit auf die Jagd gehen konnten, die darum zur männlichen Domäne wurde, fiel ihnen der Bereich Lager und Kinder zu. Alle anderen Tätigkeiten waren zuerst einmal geschlechtsunabhängig und konnten von jedem ausgeführt werden: kochen, gerben, nähen, sammeln, Herstellung von Werkzeug, Anleitung der etwas größeren Kinder. In diesem Entwicklungsstadium wurde innerhalb kleiner Gruppen noch alles geteilt, und jeder trug zum Wohlergehen der Gemeinschaft bei. Da die Gruppen recht klein und übersichtlich waren, gab es keine offensichtlichen Drückeberger – dafür sorgte schon der Druck der Gemeinschaft. Es gab wahrscheinlich auch, außer bei den Anfängen von Kleidung und Schmuck, kaum Privateigentum. Die Wirtschaftsmittel wie Geschirr, Körbe und Werkzeuge wurden vermutlich nach Bedarf von allen benutzt. Und jeder war auch in der Lage, alle allgemeinen oder geschlechtsspezifischen Aufgaben zu erfüllen.
Das änderte sich, als die Gruppen größer wurden, oder sich mehrere Kleingruppen zusammenschlossen. Jetzt kristallisierte sich langsam heraus, dass manche Menschen für die eine oder andere Sache talentierter waren als andere, und so fielen ihnen manche Tätigkeiten vermehrt zu, während sie von anderen zunehmend befreit wurden. Die dafür notwendige Ausstattung und die Werkzeuge befanden sich darum immer mehr in ihrer Obhut, und so bildete sich schleichend Privatbesitz heraus, und es entstanden langsam die Anfänge der ersten Berufe.
Als die Gruppen noch weiter wuchsen und unübersichtlich wurden, vor allem wenn die Dunbar-Zahl überschritten wurde, die damals wahrscheinlich deutlich kleiner war als heute, setzte eine Anonymisierung ein, und in ihrem Gefolge kam es zu einer Schwächung des Zusammengehörigkeitsgefühls und des Gruppendrucks. Der Egoismus gewann an Kraft und mit ihm das Gegeneinander. Um das eigene Überleben und eine rudimentäre Unabhängigkeit zu sichern, gewannen Privatbesitz und Vorratswirtschaft an Bedeutung. Hing in den Kleingruppen das persönliche Ansehen noch von der eigenen Leistung, den Fähigkeiten und der Einsatzbereitschaft ab, so kam nun der Besitz als Quelle von Ansehen hinzu. Gleichzeitig wurden die Menschen sesshaft, und Ackerbau und Viehzucht wurden Teil der menschlichen Lebenswirklichkeit. Sobald diese nicht mehr in Gemeinschaft betrieben wurden, waren Ackerflächen und Viehherden nach den Jagdtrophäen die nächsten Prestigeobjekte und die ersten Reichtümer.
Gleichzeitig ist aber die Spezialisierung soweit fortgeschritten, dass sich nicht mehr jeder mit allem selbst versorgen konnte, und das Gruppenbewusstsein hatte an Kraft verloren. So entwickelte sich der Tauschhandel.
Dieser funktionierte einige Zeit ganz gut, aber je komplexer die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse wurden und je spezialisierter die Waren, desto schwieriger wurde das Tauschgeschäft, nicht nur was den Vergleichswert der Waren betrifft, sondern auch weil nicht jeder jede angebotene Tauschware brauchen konnte. Also entstand ein neutraler Mittler zwischen den tauschenden Parteien und den zu tauschenden Waren. Es war das Geld, das anfangs noch recht regionale und naturalistische Formen hatte, wie Salz, Samenkörner, Knochen oder Muscheln, sich aber dann bald und zunehmend global als Metallmünzen manifestierte.
Mit dem Geld hatte man ein Mittel in der Hand, um zwischen Anbietern zu vermitteln, die sonst vielleicht nie zusammengekommen wären. Jetzt konnte jedermann Ware gegen Münzen tauschen und die Münzen woanders wieder gegen Ware. Der Zweck des Geldes bestand also einfach darin, als Mittler, Wert- und Rechnungseinheit zu fungieren. Es war ein Werkzeug, welches das Leben erleichterte. Man hatte jetzt halbwegs übersichtliche Preise und konnte leichter kalkulieren. Und man konnte jetzt auch sparen, um sich irgendwann Dinge zu leisten, die etwas teurer waren. Weil das Geld schnell eine immer größere Bedeutung für den Warenverkehr, die Wirtschaft und die Gesellschaft erlangte, löste es Herden und Ländereien als primäres Statussymbol ab.
Allerdings brachte es auch Nachteile mit sich. Durch die – auch langfristige – Vergleichbarkeit von Preisen setzte jetzt zum einen ein Wettbewerb ein, der dazu führte, dass Preise gedrückt werden konnten und sich unter Umständen auf niedrigem oder auch ungerechtfertigt hohem Niveau einpendelten und dass das Gegeneinander zunahm. Diese Entwicklung wurde im Mittelalter durch die Einführung der Gilden etwas gebremst, denn diese legten einen einheitlichen Preis für bestimmte Waren und Dienstleistungen fest.
Der andere Nachteil des Geldes lag darin, dass es sich, im Gegensatz zu Vieh beispielsweise, mengenmäßig und zeitlich unbegrenzt sammeln und lagern ließ. Wer Geschick oder genügend Skrupellosigkeit hatte, konnte so ein beträchtliches Vermögen und entsprechenden Einfluss aufbauen. Am Anfang unserer Entwicklung gab es kein Arm und Reich, sondern Menschen, die sich in kleinen Gruppen gegenseitig unterstützt und einander beim Überleben geholfen haben. Spätestens mit der Einführung des Geldes bildete sich eine Trennung der Menschen in Arm und Reich heraus, bei der jene Menschen am besten abschnitten, die über günstigere Ausgangslagen verfügten, etwa natürliche Ressourcen, die besser handeln konnten, die egoistischer waren, die besser wirtschaften konnten oder die einfach von ihren Vorfahren, also von ihrem Erbe her, besser gestellt waren.
Im Zuge dieser Entwicklung mutierte das Geld von einem neutralen Tauschmittel zu einem Wert an sich. Sobald der tägliche Unterhalt gesichert war, wurde es zuerst zu einem Mittel der Vorratshaltung zur Überbrückung schlechterer Zeiten. Aber wenn genügend Geld angehäuft war, um die zukünftige Versorgung zu sichern, bedeutete das für gewöhnlich kein Ende des Sammelns von Geld, sondern es wurde fleißig weiter gesammelt, zuerst, um ein Luxusleben führen und mit den anderen reichen Menschen eine eigene Klasse bilden zu können, dann als Mittel für Einfluss und Macht.
Zu dieser Entwicklung kam dann noch die Einführung eines Bankensystems und des Geldverleihens gegen Zinsen und vor allem Zinsen auf die Zinsen hinzu. Durch diesen Zinseszins war es möglich, sobald man mehr Geld zur Verfügung hatte, als man brauchte, ohne weitere Arbeit seine Geldmenge stetig zunehmend anwachsen zu lassen. Für die Menschen, die sich Geld liehen, bedeutete das auf der anderen Seite, dass sie unter Umständen, verschärft durch die deutlich höheren Kreditzinsen, extrem viel mehr zurückzahlen mussten, als sie ausgeliehen hatten. Dadurch wurde das Auseinanderklaffen der Besitztümer, die Schere zwischen Arm und Reich, noch weiter vergrößert.
Die Verwendung von Münzgeld aus Silber und Gold wurde aber zunehmend unpraktisch, weil bei größeren Geschäften immer größere und gewichtigere Mengen an Münzen den Besitzer wechselten, so dass schließlich zusätzlich ab Ende des 17. Jahrhunderts das Papiergeld eingeführt wurde, bei dem sich die Scheine mit beliebigen Werten versehen ließen und man ohne großen Aufwand und unauffällig größere Geldmengen mit sich führen und auch lagern konnte. Dieses Papiergeld war anfangs durch eine entsprechende Menge Gold gedeckt, die bei den Banken lagerte und das man sich auch auszahlen lassen konnte. Da aber die Geldmenge im Laufe unserer Geschichte immer mehr gewachsen war und zum einen durch zunehmende Kredite auf Zinseszins-Basis anfing, exponentiell zu wachsen, es zum anderen jedoch immer schwieriger wurde, in gleichem Maße Gold zu schürfen, wurde die umfassende Golddeckung abgeschafft und das Papiergeld als eigenständiger Wert definiert.
Da die Herstellung der Geldscheine direkt oder indirekt dem Staat oblag, konnte dieser nun selbst Geld machen. Diese Möglichkeit nutzte er dann auch aus, wenn er etwa für Kriege oder verschiedene Aufgaben mehr Geld brauchte, als er durch Steuern einnahm. Das hatte dann eine Erscheinung zur Folge die bis dato noch kaum bekannt war: zunehmende Inflation bis hin zur Hyperinflation. Inflation bedeutet vereinfacht, dass mehr Geld in Umlauf ist, als dafür Gegenwert existiert. Man kann darum mehr kaufen, da aber nicht genügend zum kaufen da ist, steigt der Preis für die Dinge an, um die Geldmenge mit der Produktmenge in Einklang zu bringen. Wenn dann als Reaktion darauf noch mehr Geld produziert wird, schaukeln sich diese Anpassungsvorgänge zu einer Hyperinflation auf, bei der die Preise in kurzer Zeit jegliche Bodenhaftung verlieren.
Um diese Entwicklung unter Kontrolle zu halten, war es schließlich erforderlich, bereits bestehende oder neue Institutionen damit zu beauftragen, Einfluss auf die Geldwirtschaft zu nehmen, was darin bestand, die Menge von neu gedrucktem Geld zu reglementieren und Zinssätze für Spareinlagen und Kredite zu regulieren. Daraus entstand im Laufe der Zeit eine hochkomplexe Maschinerie.
Es scheint, als ob wir damit jetzt in der Neuzeit angekommen wären. Doch der Schein trügt, denn noch im Mittelalter, vor der Einführung des Papiergeldes, wurden Wechsel ausgestellt. Diese waren anfangs ein System, um Geld zu transferieren, so wie eine heutige Überweisung, und auch um das damals gültige kirchliche Zinsverbot durch Wechselgebühren zu umgehen. In gewisser Weise wirken Wechsel wie die heutigen Schecks, stellen aber auch eine Art Kredit dar, da sie erst zu einem bestimmten zukünftigen Termin ausgezahlt werden müssen. Wechsel konnten wie Geld weitergegeben werden und waren mit Gebühren verbunden. Sie sind auch heute noch in vielfältiger Form Bestandteil unseres Finanzsystems, wenngleich ihre Verwendung rückläufig ist. Da die Banken bei vorzeitiger Auszahlung einen Diskont abzogen, konnten sie zusätzlich zu den Gebühren einen Gewinn daraus ziehen, was die Wechsel zu einer Handelsware machte. Als eines der ersten Wertpapiere war der Wechsel so mitverantwortlich für das Aufkommen des Handels mit immateriellem Geld oder Geldplatzhaltern an den daraus entstehenden Börsen.
In seinem Gefolge entstand eine Flut an weiteren Wertpapieren: Aktien, Schuldverschreibungen, Pfandbriefe, Anleihen, Obligationen, Optionen…, die dazu dienten, Geld für verschiedene Aufgaben und Investitionen auf andere Weise als durch die üblichen Kredite zu beschaffen, die exponentiell steigende Kosten verursachen. Diese Wertpapiere und die zugehörigen Ansprüche können verkauft werden, so dass daraus eine neue Handelsart entstand, die dann in größerem Maßstab an den Börsen stattfand. Dabei wurde das Geschäft an den Börsen immer immaterieller, das heißt, es werden Dinge so schnell gekauft und verkauft, dass sie gar keine Möglichkeit mehr haben, in den materiellen Besitz des Käufers zu gelangen, ehe er sie womöglich weiterveräußert. Die Börsen sind heutzutage im Grunde genommen keine Realwirtschaft mehr, sondern Zockerinstitutionen, in der auf Wertänderungen gehofft und gewettet wird. Dadurch entstehen Werte, die in keiner Beziehung mehr zu ihrem Ursprung stehen. So bekamen etwa im Zuge des Internet-Hype manche Internetfirmen einen Wert, der beträchtlich höher als der sachliche, reale Wert des Unternehmens und seiner Wirtschaftsleistung war. Und auch die Preiserhöhungen für verschiedene börsengehandelte Nahrungsmittel und daraus entstehende Hungersnöte sind zum Großteil auf Spekulationen mit Nahrungsmittel-Wertpapieren zurückzuführen.
Was ebenfalls immer immaterieller wird, ist das Geld selbst. Da Geldtransfers im Internetzeitalter immer einfacher durchführbar sind, werden mit Hilfe von Online-Überweisungen, Kreditkarten oder Geldkarten zunehmend nur noch Zahlen zwischen den Banken oder zwischen Banken, Käufern und Verkäufern hin und her geschoben, und das Ende des Bargeldverkehrs ist langfristig abzusehen.
Es hat also eine Art Evolution stattgefunden, die uns von einem geldlosen Zustand mit gemeinsamem Besitz und gegenseitiger Fürsorge in eine Welt geführt hat, in der Geld die wichtigste Sache im Leben zu sein scheint, gemeinsamer Besitz nur noch bei Ehepartnern und verschiedenen Geschäftsmodellen vorkommt und jeder nur noch auf sein eigenes finanzielles Wohlergehen achtet und versucht, einen möglichst großen Teil des Kuchens zu erhaschen, der aus den materiellen und monetären Gütern dieses Planeten besteht. Die Folge der Geisteshaltung, die uns diese evolutive Entwicklung beschert hat, ist ein Auseinanderklaffen der Verfügungsgewalt über die Reichtümer der Erde und die daraus generierten Werte, und diese Diskrepanz ist gewaltig und nimmt mit jeder neuen Wirtschaftskrise immer schneller zu. So umfasste 2007 das geschätzte Gesamtvermögen von nur 0,1 Prozent der Weltbevölkerung über 80 Prozent des globalen Gesamtvermögen, oder anders ausgedrückt verfügen 99,9 Prozent der Weltbevölkerung nur über knapp 20 Prozent des aus Sach- und Geldwerten bestehenden Vermögens der Menschheit, das zur Zeit auf 125 Billionen US-Dollar geschätzt wird. Das sind im Durchschnitt ca. 20.000 Dollar pro Mensch. Wenn man bei dieser Vermögensverteilung bleibt, dann entspricht das aber eigentlich etwa 4.000 Dollar für 99,9 Prozent der Menschen und für 0,1 Prozent der Menschen durchschnittlich 10 Millionen Dollar. Und auch bei den 4.000 Dollars gibt es ein extremes Gefälle. Wenn man nun auf Zahlen, die man sich ohnehin kaum vorstellen kann, verzichtet, dann kann man sagen, dass eine unglaublich große Zahl von Menschen nichts oder fast nichts besitzt, einige Wenige gut leben können und ein verschwindend geringer Anteil der Menschen so unfassbar reich ist, dass er fast alles besitzt.
Wenn man sich die Evolution ansieht, so bedeutet sie auf die Wirtschaft bezogen, dass sich über die Jahrtausende hinweg ein System der Güterhandhabung und -verteilung entwickelt hat, das mit den Ansprüchen einer zunehmenden Bevölkerung gewachsen ist und immer komplexer und komplizierter wurde. Das ist eine materielle Evolution, wie sie auch der Mensch mit dem Verlust von Haaren, der Entwicklung des aufrechten Gangs, der Ausbildung eines differenzierten Stimmorgans und dem Wachstum des Gehirns durchlaufen hat.
Aber wir können auch sehen, dass die Evolution in den nicht-materiellen Bereichen, also in sozialen und emotionalen Belangen nicht Schritt gehalten hat, so dass hier noch ein großer Nachholbedarf besteht. Die Wirtschaft ist ein Instrument der Organisation, und wie jedes Instrument muss es gezielt und sinnvoll eingesetzt werden, um seine optimale Wirkung zu entfalten. Das ist aber nie wirklich geschehen; sie wurde teilweise sich selbst überlassen und teilweise durch Menschen geformt, die sich für wirtschaftliche Belange interessierten und sie ausschließlich zu ihrer persönlicher Besserstellung und Bereicherung einsetzten.
Jeder Mensch hat Talente und Neigungen, die z. B. wirtschaftlicher, künstlerischer, organisatorischer, handwerklicher, sozialer, spiritueller, religiöser, philosophischer oder politischer Natur sein können. Und ein jeder versucht seinen Neigungen und Lebenslinien zu folgen und diese zu entfalten, soweit ihm dies möglich ist. Dadurch wird zwar die Individualität gefördert, aber durch die Schwäche der sozialen Evolution auch eine Art des Egoismus, die nur auf sich selbst sieht und das große Ganze nicht richtig wahrnimmt. Das führt dann etwa zu machthungrigen Politikern, unflexiblen und unbeugsamen Bürokraten, religiösen Fundamentalisten und geldgeilen Wirtschaftsbossen. Die Wirtschaft mit ihren vielen Regeln, Sonderregeln, Gesetzen und Ausnahmen wurde über Jahrtausende hinweg von Menschen geformt, deren ganzes Trachten darauf ausgerichtet war, ihre Talente zu nutzen, um immer mehr Geld anzuhäufen.
Solange die Gesellschaft in Beschaffenheit und Umfang einfach und übersichtlich aufgebaut war, konnte jeder das Thema zumindest ansatzweise überblicken und mitreden, aber je stärker sich eine differenzierte Gesetzgebung und Aufgabenteilung durchsetzten, desto mehr Einfluss konnte von den Wirtschaftsgrößen auf die Ausgestaltung der Regeln und Gesetze ausgeübt werden, so dass es ihnen zunehmend leichter fiel, Reichtümer anzuhäufen. Da diese Regeln zwar in der Theorie für alle galten, sie aber in der Praxis nur von jenen erfolgreich genutzt werden konnten, die über eine entsprechende Mentalität und bisweilen auch Rücksichtslosigkeit verfügten, blieben diejenigen auf der Strecke, die nicht genügend wirtschaftlichen Sachverstand und Egoismus hatten oder sich auf ihre individuellen Talente und Neigungen konzentrierten. Das führte schleichend zu einer ersten Trennung der Menschen in zwei Gruppen. Die eine Gruppe besteht heute aus Bankern, Wirtschaftsbossen, Industriellen und zum Teil auch Politikern, während die andere, wesentlich größere und stetig wachsende Gruppe aus den Produzenten, Schöngeistern und Aussteigern besteht, also aus Bauern, Arbeitern, Angestellten, Handwerkern, Dienstleistern, Künstlern, Philosophen und Minimalisten.
Mittlerweile ist die Wirtschaft ein derart komplexes Gebilde, dass nur noch Spezialisten durchblicken und die eingebauten Schlupflöcher nutzen können. Und die Dienste dieser Spezialisten können sich nur die Menschen mit Geld leisten. Das ist ein weiterer Grund, weshalb der Unterschied zwischen Arm und Reich immer schneller immer größer wird.
Der nächste Grund liegt darin, dass die Gesetzgebung, die dem theoretisch einen Riegel vorschieben könnte, völlig überfordert ist und sich in die Ecke gedrängt sieht. Diese Überforderung kommt daher, dass die Wirtschaft noch keine eigentliche Wissenschaft mit klarem Durchblick und vorhersehbaren Resultaten ist, sondern ein Kampf verschiedener Glaubensbekenntnisse um Vorherrschaft, in dem kaum jemand einen Durchblick hat, außer den Politikern, die aus den oberen Etagen des Finanzmanagements kommen und dessen Interessen verstehen und vertreten. Das Dogma, das die Grundlage ist, auf der dieser Kampf ausgefochten wird, und gegen das alternative Dogmen bislang nicht ankommen, ist der Kapitalismus. Zwar gab es mit dem Kommunismus einen Gegenentwurf, der sich mehrere Jahrzehnte lang behaupten konnte, doch dieser Entwurf scheiterte schon früh an Egoismus und Bewusstseinsmangel.
Das Dogma das Kapitalismus ist verbunden mit dem der Marktwirtschaft und parallel zur Evolution der Wirtschaft und des Geldes entstanden. Kapitalismus ist die Sucht, immer mehr Geld anzuhäufen, mit allen Mitteln und um jeden Preis. Das Werkzeug dazu ist die Marktwirtschaft, die sich zunehmend verselbständigt. Von der Freien Marktwirtschaft, die nicht von der Politik und der Gemeinschaft gesteuert wird, wurde erwartet, dass die Produktion von Waren und der Wert von Gütern und Dienstleistungen durch marktinterne Regelmechanismen, wie etwa Angebot und Nachfrage, selbständig geregelt werden, so dass man nicht, wie etwa in einer Planwirtschaft, Produktion und Preise vorschreibt. Das mag eine Zeitlang funktioniert haben, aber nur solange, bis man anfing, den Markt zu manipulieren, sei es durch künstliche Verknappung von Gütern, durch Spekulationen oder durch den Konsumismus, indem man also durch Werbung der verschiedensten Art, durch Zurschaustellung von Glanz und Gloria, durch Erweckung von Neid die Mentalität der Menschen beeinflusste und künstliche Bedürfnisse weckte. Durch diese Förderung von Egoismus und Konkurrenzdenken konnte sich der Kapitalismus ausbreiten, weil die Wirtschaft nun zu einem Instrument der Bereicherung wurde und die eigentlichen Funktionen der Stabilisierung und der ausgeglichenen Güterverteilung nachrangig wurden. Im Moment ist die Wirtschaft durch den Einfluss des Kapitalismus darauf ausgerichtet, die Mehrheit der Menschen auszubeuten und zu willigen Konsumenten und Sklaven zu machen und den Reichtum in den Händen einiger weniger Menschen zu konzentrieren.
Die eigentliche Aufgabe der Wirtschaft aber wäre es, die Umstände so zu regeln, dass jedem Menschen auf der Welt genug Mittel und Waren zur Verfügung stehen, dass er satt wird, zu trinken hat und ein zumindest bescheidenes, bewusstes und zukunftsorientiertes Leben führen kann, in dem alle darauf hinarbeiten, den globalen Wohlstand gleichmäßig zu verteilen und zu mehren. Statt dessen hat sich mittlerweile immer deutlicher ein Drei-Klassen-System herausgebildet, dass zwar schon seit Jahrtausenden existiert, aber noch nie dieses extreme Ausmaß annahm.
Die unterste Klasse wird von den Menschen gebildet, die Hunger leiden und denen die Mittel und Möglichkeiten fehlen, sich ausreichend zu ernähren. Um darüber reden zu können, hat man Armutsgrenzen eingeführt. Extreme Armut bedeutet, dass man maximal 1,25 USD am Tag zur Verfügung hat, Allgemeine Armut hat 2 USD als Grenze. Von dieser Allgemeinen Armut ist etwa ein Drittel der Menschheit betroffen. Allerdings ist das nur ein relativer numerischer Wert, der zum einen durch den sinkenden Geldwert und die unterschiedliche Kaufkraft in verschiedenen Ländern relativiert wird, und zum anderen die Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten nicht-monetärer Selbstversorgung, etwa durch Zugang zu Wasser und bebaubarem Land, nicht berücksichtigt. Wenn man den Begriff der Armut etwas weiter fasst, dann fallen beispielsweise auch die deutschen Hartz-IV-Empfänger darunter, die keinen Zugang zu Arbeit haben, obwohl sie deutlich über der künstlichen Armutsgrenze liegen. Sie sind vielleicht global gesehen nicht arm, aber national gesehen schon. Man kann also vermuten, dass mindestens die Hälfte der Menschheit arm ist.
Fast alle übrigen Menschen bilden die zweite Klasse, die Klasse der Wohlhabenden. Zu dieser Klasse gehört als Untergrenze jeder, der über eine regelmäßige Arbeit und/oder ein regelmäßiges Einkommen verfügt, die es ihm erlauben, zumindest ein wenig über dem Existenzminimum zu existieren. Die Obergrenze bilden die Menschen, die noch nicht genügend Geld und Besitz haben, um ohne Arbeit bequem davon leben zu können.
Wer mehr hat, gehört der dritten Klasse an, der Klasse der Reichen und Superreichen. Diese Menschen könnten sich jederzeit zur Ruhe setzen und ein bequemes bis sehr luxuriöses Leben führen. Die Oberschicht dieser Klasse, die nur ein paar wenige Prozent der Menschheit ausmacht, verfügt über wesentlich mehr Mittel, als sie jemals verbrauchen können. Und diese Mittel sind höher, als sie den beiden anderen Klassen zusammen zur Verfügung stehen und wachsen immer noch an. Sie sind so hoch, dass sich damit locker die globale Staatsverschuldung begleichen ließe, ohne dass die Reichen auf ihr luxuriöses Leben verzichten müssten. Vereinfachen ließe sich diese Art der Beseitigung der Wirtschaftskrise durch einen einfachen Erlass der globalen Staatsschulden, denn diese Schulden haben die Staaten ja letztlich gegenüber diesen Superreichen. Das wäre für die Staaten eine Gelegenheit, neu anzufangen, ihr Wirtschaftsverständnis zu überprüfen und auf neue Beine zu stellen und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung auf ein größeres Miteinander hinzulenken.
Das Geld, über das die dritte Klasse, die Klasse der Superreichen verfügt, ist derart immens und in relativ kurzer Zeit gewachsen, dass man sich mit der Frage beschäftigen muss, wo dieses Geld – außer durch rücksichtsloses Wirtschaften – überhaupt herkommt. Man sollte meinen, dass so eine gewaltige Geldmenge nicht einfach so aus dem Nichts kommen kann, sondern irgendwie entstehen und erarbeitet werden muss.
Hier hilft vielleicht ein Blick auf die Produktion oder die Schöpfung des Geldes weiter.
Die Generierung des Geldes war nach der Entstehung und Umsetzung der Idee eines universalen, vergleichbaren, rechenfähigen und wertbeständigen Tauschmittels eine relativ einfache Sache. Man hat durch Arbeit ein Produkt oder einen anderen Wert geschaffen und tauschte dieses Produkt gegen Geld ein. Diese Produkte waren Dienstleistungen wie Fremdarbeit als Tagelöhner, Vermittlung von Wissen als Lehrer, Heilung von Kranken, Arbeit für das Seelenheil, sexuelle Gefälligkeiten, Verwaltung von Gemeinwesen, Rechtsprechung… Andere Produkte sind materiellerer Natur, wie die Schaffung von Nahrungsmitteln, die Viehzucht, das Schöpfen von Kunstwerken (Malerei, Skulptur, Schmuck, Architektur…), das Verarbeiten von Wolle, die Schneiderei, die Schusterei, die Kürschnerei, die Bäckerei und Metzgerei, das Herstellen von Werkzeugen, das Kopieren von Büchern, das Schreinern von Möbeln und Haushaltsgegenständen… Durch all diese Tätigkeiten werden Werte geschaffen, für die man im Tauschverfahren mit Geld entlohnt wird.
Doch wo kommt das Geld selbst her? Auch dieses wurde erarbeitet, allerdings relativ direkt. Muschelgeld etwa entstand, indem jemand viele geeignete Muscheln sammelte und sich dann hinsetzte und sie verarbeitete, sie also zurecht schliff, Löcher hinein bohrte und sie auf Fäden aufzog, deren Länge den Wert des Geldes bestimmte. Für diese Ketten konnte man sich dann Essen oder Anderes eintauschen bzw. kaufen, da man sich während der Zeit der Geldproduktion ja nicht um den Anbau oder Fang von Essen oder die Fertigung von Kleidung kümmern konnte. Und bei anderen Geldformen, wie etwa dem Salzgeld, lief es im Prinzip auch so ab. Man könnte auch sagen, dass Geld und die erarbeiteten Produkte ein Gegenwert für die Zeit sind, die man im Dienste an der Gemeinschaft verbracht hat.
Und das gilt auch für das etwas modernere Geld, das Münzgeld. Das Münzgeld selbst entsteht dadurch, dass Gold und andere Münzmetalle wie Silber und Kupfer unter hohem Aufwand aus Minen geborgen und anschließend zu Münzen verarbeitet werden. Das war eine Arbeit, die mitunter langwierig und wenig ergiebig war, aber wenn jemand Glück hatte, stieß er auf eine dicke und ergiebige Ader und war mit einem Schlag reich. In diesem Fall hatte das Gold zwar seinen objektiven Wert, war aber nicht mit dem Aufwand erarbeitet worden, der seinem Wert entsprach.
Und so verhält es sich auch mit sehr vielen der großen Vermögen auf der Welt – ihr nomineller Wert und ihr Zeit-Arbeits-Wert haben keine reale Entsprechung zueinander. Da diese großen Vermögen der dritten Klasse aber in der Regel nicht durch spontane Gold- oder Diamantfunde entstanden sind, die ihrer Natur nach zwangsläufig begrenzt und irgendwann auch aufgebraucht sind, müssen in der Geschichte der Geldschöpfung noch andere Mechanismen entwickelt worden sein, um so große Vermögen hervorzubringen, wenn man sich nicht gerade im Besitz großer Erdöl- und Erdgasfelder befindet.
Als die Geldmengen, die für zu tätigende Geschäfte benötigt wurden, stärker zunahmen, kam man auf die Idee, Geldscheine als Symbole für größere Summen zu verwenden, die man bei Bedarf gegen den realen Wert eintauschen konnte. Dieses Prinzip nannte man Golddeckung. Da diese Tauschmöglichkeit kaum jemals angewandt wurde, kam es zu einem der wirtschaftlichen Sündenfälle – der Abschaffung der Golddeckung. Die Banken mussten ab jetzt für die Geldscheine, die sie ausgaben, keinen vollständigen Gegenwert mehr auf Lager haben und konnten mehr Geld ausgeben, als Werte vorhanden waren. Damit wurden die Geldscheine zu einem Wert an sich. Und das gesamte sich im Umlauf befindende und auf Konten – vor allem der dritten Klasse – lagernde Geld ist bei weitem nicht mehr durch Gold oder andere stabile und reale Werte gedeckt.
Bleibt die Frage, wo diese Geldscheine herkommen und wie die zusätzlichen Werte entstehen, die sie symbolisieren. Nun, die Scheine werden in staatlichem oder halbstaatlichem Auftrag gedruckt und durch die Notenbanken verteilt, bzw. gegen Bankguthaben bei den Zentralbanken ausgetauscht. Allerdings ist der Wert sämtlicher Banknoten deutlich geringer als die weltweit vorhandenen Vermögen.
Für die Entstehung dieser Werte und Bankguthaben gibt es vor allem zwei Mechanismen: die Geldschöpfung mittels Kreditvergabe durch die Banken und die Praxis des Zinseszins für Kredite.
In der weitverbreiteten Theorie läuft die Kreditvergabe durch die Banken folgendermaßen ab: Den Banken steht durch die Spareinlagen ihrer Kunden eine gewisse Geldmenge zur Verfügung. Diese Spareinlagen vergütet sie mit einem geringen (im unteren einstelligen Bereich) Prozentsatz an Zinsen. Diese Spareinlagen verleiht sie in Form von Krediten an andere Kunden und verlangt dafür einen höheren Prozentsatz an Zinsen (meist bereits im zweistelligen Bereich). Die Differenz, der Gewinn bildet den Lohn für ihre Vermittlungsdienste. Soweit die Theorie, die vor langer Zeit sicherlich einmal zutreffend war.
Die weitverbreitete Praxis sieht anders aus: Den Banken steht durch die Spareinlagen ihrer Kunden eine gewisse Geldmenge zur Verfügung. Diese Spareinlagen vergütet sie mit einem geringen (im unteren einstelligen Bereich) Prozentsatz an Zinsen. Zusätzlich können sie bei den Zentralbanken zu einem noch geringeren Prozentsatz Kredite aufnehmen. Diese Kredite und die Spareinlagen bilden die Grundlage für die Kreditvergabe und letztlich für die Geldschöpfung durch die Banken. Die modernere Form der Geldschöpfung entsteht nun dadurch, dass die Bank einen Kredit vergibt. Die Deutsche Bundesbank schreibt in ihrem Buch „Geld und Geldpolitik“: „Wenn eine Geschäftsbank einen Kredit gewährt, finanziert sie diesen in einem ersten Schritt dadurch, dass sie – … – den entsprechenden Betrag an Giralgeld selbst schafft.“ Voraussetzung dafür ist, dass sie über eine gewisse Mindestreserve verfügt, die in Europa 1 % der Kreditsumme beträgt, in den USA 10 % und in China 20 %. Für die Vergabe eines Kredites von 1 Million Euro muss eine Bank also nur einen realen Wert von 10.000 Euro vorweisen. Sie kann somit die hundertfache Menge der Spareinlagen als Kredit vergeben, einfach nur, indem sie das bis dahin inexistente Geld in ihre Bücher schreibt. Der Kreditnehmer übereignet der Bank für die Dauer des Kredites das dafür angeschaffte Gut oder einen anderen Gegenwert und zahlt dann diesen Kredit samt Zins und Zinseszins langsam mit realem Geld ab. Damit erst macht er aus dem fiktiven oder virtuellen Betrag, den die Bank in kreativer Weise in ihre Bücher geschrieben hat, einen realen Wert, der diesen Betrag durch den Zinseszins auch noch erheblich übersteigt. Danach verfügt der Kreditnehmer über das Gut, das er mit dem Kredit erworben hat (mit dem entsprechenden Wert), der Verkäufer des Gutes verfügt sofort über die Kreditsumme als realen Wert, und die Bank hat aus einem kleinen Betrag von vielleicht ein bis zwei Prozent der Kreditsumme durch die Einnahme der Raten, des Zinses und des Zinseszinses für virtuelles Geld, das eigentlich nie existierte, einen Gewinn an realem Geld gemacht, der die Kreditsumme bisweilen deutlich überschreitet.
Wenn man hier nun die bereits angesprochene Zeit-Wert-Relation betrachtet, so sieht diese für den Kreditnehmer sehr schlecht aus, denn er muss durch den Mechanismus des Zinseszins mehr Zeit für die Erwirtschaftung des Wertes des erworbenen Gutes aufbringen, als dieses wert ist und als der Verkäufer bei einem halbwegs realen Zeit-Wert selbst bekommt. Für die Bank fällt diese Relation mit anderen Vorzeichen noch extremer aus. Sie hat nur einen winzigen realen Wert vorzuweisen und muss für die Erteilung eines Kredites ein paar bürokratische und verwaltungstechnische Erfordernisse erfüllen und Geldeingänge registrieren und verrechnen, wobei Letzteres weitgehend automatisiert von Computern erledigt wird. Alles in allem handelt es sich um eine sehr überschaubare Stundenzahl. Der Wert, der daraus zurückfließt, und der im Grunde genommen vom Kreditnehmer erwirtschaftet wird, ist dagegen immens.
Eine ideale, rechtschaffene Zeit-Wert-Relation hat den Wert 1. Das heißt, die eingesetzte Zeit und der erwirtschaftete Wert entsprechen sich einigermaßen. Für den Kreditnehmer liegt der Wert über 1 und kann je nach Laufzeit und Zinssatz den Wert 2 oder höher erreichen, was bedeutet, dass ein Wert nur mit deutlich erhöhtem Zeitaufwand erwirtschaftet werden kann. Für die Bank ist der Wert kleiner als 1, und zwar so klein, dass er deutlich gegen 0 geht. Der Wert 0 bedeutet, dass Geld ohne jeglichen Aufwand geschaffen wird.
Durch diesen Kreditmechanismus entstehen riesige Geldsummen; allerdings ist das noch nicht das absolute Ende der Fahnenstange der Geldschöpfung. Die Banken machen nicht nur Geschäfte mit Kunden, sondern auch untereinander. Durch die Überweisung von über Kredite selbst geschaffenem Geld an eine andere Bank wird das bis dahin eher virtuelle Geld zu einem etwas realerem Geld, das als Grundlage zu weiteren Transaktionen dient. Diese sind sehr vielschichtig und umfassen Spekulationen und Wetten jeglicher Art, deren Natur gewöhnlichen Sterblichen bereits nicht mehr einsichtig ist, was aber letztlich dazu führt, dass große Teile der Supervermögen nur auf virtuelle Art entstanden sind und eine unglaublich kleine Zeit-Wert-Relation aufweisen, also nie „anständig“ erwirtschaftet wurden.
Diese Werte, die keinen realen Gegenwert haben, sind direkt und indirekt eine Bedrohung für unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem. Indirekt, weil dadurch die Geldmenge viel größer ist als die Wertemenge auf unserem Planeten und das Geld darum immer mehr an Wert verliert, was die Menschen mit geringen Mitteln ganz besonders hart trifft; direkt, weil man mit diesem Geld Kriege führen kann und auch führt, Kriege um Nahrungsmittel, Kriege um Ressourcen, Kriege um Macht und Einfluss, und wenn man anfangen sollte, das Geld auszugeben, würde das zu einer Erhöhung der umlaufenden Geldmenge führen und bei gleich bleibendem Warenangebot zu einer galoppierenden Inflation. Folglich darf man dieses Geld nicht ausgeben, wenn man der ohnehin zunehmend fragileren Wirtschaft keinen Todesstoß versetzen möchte. Auch aus diesem Grund wäre es sinnvoll, einen globalen, absoluten Schuldenschnitt zu machen, durch den die Staaten von ihrer Schuldenlast befreit würden und der die virtuellen Superreichtümer auf ein etwas realeres Maß zurechtstutzen würde. Damit hätte man auch eine annehmbare Ausgangslage geschaffen, um unser Wirtschaftssystem und vielleicht auch gleich unser Gesellschaftssystem grundlegend zu reformieren und auf neue, bessere Füße zu stellen.
„Ich sehe in der nahen Zukunft eine Krise näherkommen, die mich verunsichert und mich um die Sicherheit meines Landes bangen lässt. Gesellschaften wurden inthronisiert, eine Ära der Korruption an den hohen Stellen wird folgen, und die Geldmacht des Landes wird versuchen, ihre Herrschaft zu verlängern, indem sie auf die vorgefassten Meinungen der Menschen einwirkt, bis der Reichtum in einigen wenigen Händen angesammelt ist und die Republik zerstört wird.“
Abraham Lincoln