Den Wandel bewirken

Für die Bewältigung der Krise, in der die Welt, und wir mit ihr stecken, gibt es viele Ansätze. Und die Reaktion auf diese Lösungsansätze lautet recht einhellig, vor allem bei den progressiveren, dass das Utopien sind, die nicht verwirklicht werden können – und wenn man die Welt so nimmt, wie sie gegenwärtig ist, dann trifft diese Einschätzung auch voll und ganz zu, wenngleich nicht immer aus den selben Gründen. 

Ein wichtiger Punkt ist, dass man in vielerlei Hinsicht zu klein denkt. 

Da gibt es zum einen die ganzen Regierungen auf der Welt, die versuchen, Krisen durch Beschlüsse zu meistern, die an Symptomen herumdoktern und damit das eigentliche Problem übertünchen. So versucht man zum Beispiel als Antwort auf die Klimakrise das Elektroauto zu fördern. Das sieht auf den ersten Blick sinnvoll und gut aus, denn es nutzt sauberen Strom, statt Erdölderivate zu verbrennen, ist aber vor allem populistisch und geht weit am Ziel vorbei.

Das Ziel ist es, Emissionen und Rohstoffverbrauch deutlich zu reduzieren. So angenehm Elektroautos auch sind, sie sind keine Lösung, sondern eher ein weiteres Problem. Auch Elektroautos verursachen Emissionen, nur sind diese nicht so offensichtlich wie beim Autoauspuff, auch wenn mittlerweile mehr Energie regenerativ erzeugt wird, aber eigentlich sollte das Ziel sein, den Energieverbrauch insgesamt deutlich zu senken. Und ob die Kette „fossile Brennstoffe – Kraftwerk – Strom – Akku – Elektromotor“ deutlich effektiver ist als die Kette „fossile Brennstoffe – Verbrennungsmotor“ kann bezweifelt werden.

Dann haben in den USA fast 800 von 1000 Menschen ein Auto, also fast jeder Erwachsene, in Europa und Japan sind es etwa 500, und in Indien 20. Im Wesentlichen erstreben die meisten Menschen einen Lebensstil, der dem amerikanischen ähnelt. Die Tendenz geht also global dahin, noch wesentlich mehr Autos zu bauen und damit wesentlich mehr Rohstoffe und Energie zu verbrauchen. 

Wenn man die Situation nun rational betrachtet, also losgelöst von Populismus und Aktionismus, dann wird klar, dass das Ziel nicht darin bestehen kann, sämtliches Lithium der Welt zu fördern, um damit eine enorm anwachsende Flotte von Elektroautos zu bestücken oder auch nur den steigenden Bedarf der Industrienationen zu decken, sondern ein klimaverträgliches, angemessenes und zukunftsorientiertes Verkehrskonzept zu entwickeln. Rational und langfristig geht es darum, sich vom bequemen, ökologisch unrentablen und nicht nachhaltigen Spielzeug Auto zu lösen. Als Betriebsmittel mag es sinnvoll und vielleicht sogar nötig sein, wenn man es so robust baut, dass es mehrere Jahrzehnte Einsatz gut übersteht und es für notwendige Individualtransporte ein Car-Sharing-System gibt, so dass die Autos nicht 90 % ihrer Lebensdauer ungenutzt vor sich hin gammeln. Aber eigentlich müsste der öffentliche Nah- und Fernverkehr zusammen mit effizienten Zubringerdiensten enorm ausgebaut werden.

So sieht die Lage aus, wenn man nicht klein und populistisch denkt. Das Problem dabei ist, dass Regierungen keine großen und langfristigen, weitblickenden Visionen haben und, nicht ganz unbegründet, auch nicht hat daran glauben, dass eine solche Vision realisierbar ist, weshalb sie sich ein Denken in diese Richtung auch nicht erlauben. 

Und die meisten zukunftsträchtigen Visionen müssen auch global verwirklicht werden, was ein zusätzliches Problem darstellt. Da gibt es zum einen ein eher ausbeuterisches Verhältnis der reicheren zu den ärmeren Staaten und zum anderen nationale Egoismen und Ängste, die eine effektive Zusammenarbeit unmöglich machen oder zumindest erschweren und durch endlose Kompromisse verwässern, oder, was mit guten Ansätzen häufig geschieht, unter dem Mantel des Fortschritts in ihr Gegenteil verkehren. 

Und dann gibt es noch autokratische Regierungen, die einzig am Erhalt ihrer Macht interessiert sind, und die Angst haben, im großen Konzert an Macht einzubüßen oder durch Maßnahmen, die anscheinend nicht dem unmittelbaren Wohl der eigenen Bevölkerung dienen, noch mehr Unmut bei dieser hervorzurufen. Ähnlich egoistisch gibt es innerhalb der Bevölkerung eine, in den USA nicht gerade kleine Fraktion von Menschen, denen der Gedanke an Zusammenarbeit, soziales, gemeinschaftsorientiertes Denken fremd, ja geradezu zuwider ist. Diesen Menschen geht es im besten Fall um Durchsetzungskraft, Selbstbehauptung und das Recht des Stärkeren.  Auch wenn sie durchaus bereit sind, anderen in Notfällen zu helfen, ist ihr Denken eher „Ich gegen die Anderen“-basiert als „Wir alle zusammen“. Sie sind sozusagen biblisch im Alten Testament gefangen, während die Zukunft im Neuen Testament liegt. 

Dass es unter diesen Umständen keine wirksamen Reformen gibt, ist so gesehen nicht verwunderlich. 

Um nun zu einem wirklichen Wandel zu finden, muss man ein Umfeld, ein Bewusstseinsfeld schaffen, das für diesen Wandel und für weitblickende Visionen förderlich ist. 

Kurzfristig kann man versuchen, diese großen Visionen, sei es ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept, globale Zusammenarbeit, ein Schließen der Armutsschere, ein soziales Miteinander, zukunftsorientiertes Denken, Miteinander statt Gegeneinander, Vertrauen statt Misstrauen, Liebe statt Hass, usw. zu fördern und diese Konzepte und die Notwendigkeit hierfür hartnäckig in Diskussionen und die öffentliche Meinungsbildung einzubringen, um überhaupt ein Gewahrsein, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man auch größer, weiter, freundschaftlicher und weniger egoistisch denken und handeln kann. Dass dies nicht unmöglich ist, hat Greta Thunberg gezeigt.

Langfristig muss man aber eine Basis für ein neues Bewusstsein, für ein neues, zukunfts- und gemeinschaftsorientiertes Denken zu schaffen.

Wir sind alle in einer überwiegend kompetitiv geprägten Welt aufgewachsen, die mehr den Kodex Hamurabi und die Götter Mammon und Ego verehrt, also im Gegeneinander, und unsere Kinder wachsen in der gleichen oder einer noch schlimmeren Welt auf. Dabei ist das Kompetitive nicht grundsätzlich schlecht, es ist vor allem das Verhältnis, das nicht stimmt; es müsste umgekehrt sein, also vielleicht 20 % kompetitiv eingebettet in eine Basis von 80 % kollaborativ. Dann hätte der Wettstreit nicht mehr den Charakter eines isolierten Gegeneinanders, sondern wäre von der Bemühung motiviert, die Gemeinschaft und ihre Lebensbedingungen voranzubringen. 

Nur ist dummerweise das Kind schon in den Brunnen gefallen, und mehrere Milliarden Menschen in kurzer Zeit oder überhaupt dazu zu bringen, einen von Zusammenarbeit und Vertrauen geprägten Lebensstil anzunehmen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Was wir brauchen, ist eine Revolution, welche die Dinge zurechtrückt, bzw. gibt es diese Revolution bereits: Sie wurde 1789 in Frankreich gestartet und nie zu Ende geführt, wodurch unser gegenwärtiges Dilemma mit verursacht wurde. Ihr erstes Kind trug die Fahne der Freiheit, das zweite dann die Fahne der Gleichheit. Das dritte und wichtigste Kind, das die Fahne der Brüderlichkeit trägt, wartet immer noch auf seinen Einsatz. Wenn es von Anfang an präsent gewesen wäre, wäre vieles anders gelaufen, und Freiheit und Gleichheit wären keine kalten technisch-rechtlichen Begriffe, die zusammenhangslos für sich stehen oder gar gegeneinander antreten müssen, sondern wären natürliche Ergebnisse und Kinder der Brüderlichkeit, während andererseits Freiheit und/oder Gleichheit nicht automatisch zur Brüderlichkeit, also zum Miteinander, zur Zusammenarbeit, zum Vertrauen oder gar zu Liebe und  Zuneigung führen. 

Wir müssen uns also daran machen, diese über 200 Jahre alte Revolution unter dem Banner des dritten Kindes zu Ende zu führen. Und wie schon klar geworden ist, geht das nicht einfach per Dekret, selbst wenn sich alle Regierungen der Welt zu einem solchen bereit fänden und auch nicht über weitere Gemetzel. Wir bauchen hier, auch wenn das den Politkern vielleicht widerstrebt, einen Ansatz, der langfristig wirkt, im Bewusstsein der Menschen präsent ist und von konkreten vorbereitenden Maßnahmen flankiert wird. 

Dazu müssen wir uns natürlich darüber klar werden, was wir uns für unsere globale öffentliche und auch für unsere nicht zu vernachlässigende private Situation wünschen. Was bei diesem Wunschkonzert immer wieder auftaucht, ist der Wunsch nach Frieden, Wohlstand, einem gesunden Leben in einer intakten Natur und das Ende der Klimakatastrophe. Und all dies können wir mit unserer gegenwärtigen Bewusstseinshaltung schlichtweg nicht haben, denn unser persönlicher wie nationaler Egoismus mit seinen Folgerscheinungen des Jeder-gegen-Jeden und Jeder-für-sich, also Krieg, Ausbeutung, Umweltzerstörung, Armut, Rücksichtslosigkeit, Misstrauen, Gegeneinander usw. und mit unserem uneinsichtigen und fast zwanghaften Festhalten an etablierten Bequemlichkeiten hindert uns daran nachhaltig. Den Ausweg aus dieser Lage weist das dritte Kind, die Brüderlichkeit.

Brüderlichkeit ist ein Wort, dem erst mal wenig Bedeutung und Tiefe beigemessen wird, und das bei mancher/m die Genderfahnen in die Höhe schnellen lässt. Aber die ungebräuchliche Wortschöpfung Geschwisterlichkeit (die durch die Wortwurzel Schwester auch nicht geschlechtsneutral ist) hat keine vertraute Begleitschwingung und ruft keine unmittelbar verständnisvollen Empfindungen hervor. Lösen wir uns darum von der Sprachpolitik und gehen mehr in die Tiefe.

Brüderlichkeit bedeutet individuell wie global, dass man die anderen Menschen und Nationen als Familie betrachtet. Das Familienideal bedeutet liebevolle Zuwendung, Gleichwertigkeit (nicht Gleichheit), Ehrlichkeit, individuelle Förderung entsprechend der Anlagen und des Charakters, Freigebigkeit, Großzügigkeit, Verständnis, Großherzigkeit, Vertrauen, Zusammenarbeit, gegenseitige Unterstützung und vieles mehr. Wenn man das Wort und seine Bedeutung auf einen Nenner bringen möchte, dann heißt dieser schlicht Liebe. Wenn man liebt, dann wünscht man der geliebten Person nur das Beste, man gesteht ihr Freiheit und Gleichheit automatisch zu und trachtet gewiss nicht danach, sie auszubeuten und zu unterdrücken und Leistungen gegeneinander abzurechnen. Brüderlichkeit bedeutet Liebe zu allen und zur ganzen Schöpfung. 

Doch wie schon erwähnt, lässt sich Brüderlichkeit, also Liebe, nicht per Dekret herstellen. Sie ist aber unumgänglich notwendig, um zu unserem Ziel zu gelangen und die Welt für alle lebenswert zu gestalten. Wenn wir unsere Ziele nun angesichts der tieferen Bedeutung neu definieren bzw. ergänzen und konkretisieren, dann kommen zum Frieden und der Beendigung von Ausbeutung und Klimakatastrophe eine gesicherte Existenz und eine aktive Förderung des Einzelnen gemäß seiner Natur hinzu. Wenn man das noch materieller formuliert, dann bedeutet das das Ende von Geldwirtschaft und Krieg. 

Das klingt nicht nur gewagt, sondern scheint nicht verwirklichbar. Doch wie sagte der Weise Laotse so treffend: Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Und der erste Schritt, persönlich wie international, besteht darin, die Notwendigkeit der Reise zu erkennen, unmittelbar gefolgt vom zweiten Schritt, sich dieses Ziel zu setzen. Und im dritten Schritt muss man sich überlegen, wie die weiteren Schritte aussehen sollen. 

Da wären zum einen die flankierenden Maßnahmen, die, was den Politikern nicht allzu schwer fallen sollte, kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden könnten und die zum Teil auch schon diskutiert werden. Sie sind praktisch eine Vorbereitung auf das große Ziel hin. Sie laufen im Grunde genommen auf eine Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus: ein kostenloses Gesundheitssystem (das es mit unterschiedlicher Effizienz sehr vereinzelt schon gibt), ein allgemeines Grundeinkommen und einen kostenfreien Nahverkehr. Natürlich wird es dabei die sogenannten „Sozialschmarotzer“ geben, aber diese sind sozusagen hausgemacht und sind eine Begleiterscheinung des ungezügelten Kapitalismus, aber je mehr man sich dem große Ziel nähert, desto mehr werden sie auch verschwinden. 

Sie sind zugleich ein Symptom von dem, was in unserer Bewusstseinsentwicklung falsch gelaufen ist. Und diese flankierenden Maßnahmen sollen uns die Möglichkeit und Gelegenheit bieten, die Situation zu berichtigen. Unser gegenwärtiges Wertesystem wird von einem ungezügelten Kapitalismus geprägt, aus dessen Fängen man sich kaum befreien kann. Die Sicherung der Grundversorgung bietet die erste Möglichkeit, diesen Klammergriff überhaupt wahrzunehmen und sich von ihm befreien zu wollen und zu können. 

Wenn diese und die anderen flankierenden Maßnahme jedoch für sich allein stehen, wird ihre Wirkung nicht besonders stark sein. Sie müssen vielmehr von einer jahrzehntelangen, aktiv geförderten Bewusstseinsentwicklung begleitet werden, um effektiv zu sein.

Spätestens wenn wir geboren werden, beginnt unsere Umwelt Einfluss auf uns zu nehmen, und wir fangen an zu lernen. Da wir im Kapitalismus aufgewachsen sind, haben wir ihn sozusagen mit der Muttermilch aufgenommen und stellen ihn und die mit ihm verbundene Lebensweise darum auch kaum jemals grundlegend in Frage. Darum können wir ihn auch nicht von heute auf morgen einfach so abschaffen wie das im kommunistischen Russland versucht wurde, wo der Versuch natürlich gründlich fehlgeschlagen ist. Das muss man anders angehen, denn die innere Entwicklung muss, was im Kommunismus völlig versäumt wurde, mit der äußeren zumindest Schritt halten, um wirklich erfolgreich zu sein. Besser noch wäre es, wenn die innere Entwicklung der äußeren vorangeht, denn sie drängt dann zur Verwirklichung im Leben. Das ist auch der Grund, weshalb Bildung in Diktaturen und ähnlichen Systemen meist alles andere als vordringlich ist, denn mit Bildung geht eine Bewusstseinsentwicklung einher, in der eine Diktatur keinen angesehenen Platz einnimmt und diese dann um ihre fortgesetzte Existenz fürchten muss. 

Und Bildung im weitesten Sinne ist das, was wir brauchen, um uns erfolgreich auf unser Ziel zuzubewegen, denn ein Wandel des Bewusstseins findet nicht anlasslos im luftleeren Raum statt. Unser Bewusstsein und unsere Persönlichkeit sind eine zutiefst individuelle Angelegenheit. Das, was wir von Geburt an mitbringen, ist keine voll entwickelte Persönlichkeit, sondern ein Same mit innewohnenden Tendenzen. Wenn wir nun hundert genetisch identische Samenkörner an hundert verschiedenen Stellen aussäen, dann werden wir hundert z.T. sehr verschiedene Pflanzen bekommen, die sich entsprechend der Möglichkeiten ihrer Umwelt entwickelt haben: Manche werden sich üppig entfalten, während andere vor sich hin kümmern.

Jeder Mensch ist ein Samenkorn, eine Möglichkeit, und wie wir uns entwickeln, welche Richtung unsere Gedanken einschlagen, hängt nicht nur von unserem genetischen Makeup, sondern vor allem auch davon ab, was wir wahrnehmen und erleben und womit wir uns beschäftigen. In Hinblick auf unser Ziel bedeutet das, dass wir zuerst einmal dieses neue Gedankengut in Umlauf bringen müssen, so wie die Vorstellung der Heirat zweier Menschen des gleichen Geschlechts in unsere kollektive Gedankensphäre eingebracht und stellenweise langsam verwirklicht wurde, oder wie jetzt die Idee eines unbedingten Grundeinkommens die Runde macht. In der gleichen Weise müssen wir anfangen, nicht nur über kurzfristige Ziele zu diskutieren, sondern sehr ernsthaft über langfristige und globale Ziele. Als positiver Nebeneffekt sollte es angesichts großer Ziele auch leichter fallen, zu den kleinen Entscheidungen zu gelangen, die immer wieder zu treffen sind, weil sie jetzt nicht mehr für sich stehen, sondern in Bezug zu etwas Größerem gesehen werden. Und diese Diskussion darf man nicht nur den Politkern überlassen, deren Horizont ohnehin schon durch Parteibücher, Parteirichtlinien und Abgrenzungstendenzen sehr eingeschränkt ist, sondern sie muss in allen Bereichen der Gesellschaft geführt werden. 

Allerdings ist unsere Gesellschaft nicht sehr reformbereit und wandlungsfähig, und zwar um so weniger, je älter die Menschen sind. Deswegen kann man nicht mit schnellen Veränderungen rechnen, und deswegen muss man auch großen Wert darauf legen, die jüngeren Generationen dazu zu bewegen, eingefahrene Gleise zu verlassen und ihre Fantasie anregen. Der Idealismus junger Menschen lässt sich vergleichsweise einfach zum Leben erwecken bzw. intensivieren. Es ist eher so, dass man damit offene Türen einrennt, wie die frühe Studentenbewegung und jetzt die fassungslosen Kinder von Fridays for Future zeigen. Diese Bewegungen dürfen nicht verlacht werden, sondern man sollte sie ernst nehmen und sich sogar ein Beispiel daran nehmen. Alles was zu einem positiven Wandel und einer hoffnungsvollen Zukunft führt, sollte ermutigt und nicht entmutigt werden, denn die Zukunft ruht auf den Schultern der jungen Generationen. 

Und wir sollten sie jetzt darin fördern, soweit es uns irgend möglich ist, auch wenn wir dafür noch zwei Schuljahre dranhängen müssten. Technisches Wissen wie Mathematik oder Physik ist nicht alles, was wichtig ist. Auch Kreativität ist wichtig, die Fähigkeit zu kritischem und selbstständigem Denken und die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen und ganzheitlich zu sehen. 

Aber es geht nicht nur darum, die Ratio auf eine breitere und offenere Grundlage zu stellen. Man muss auch die Persönlichkeitsentwicklung fördern. Mit der Aufklärung und Industrialisierung ist das kollektive Bewusstsein in eine sehr rationale Richtung gedrängt worden – auf Kosten wahrhaft humanistischer Werte, die nur unter „Ferner liefen“ vermittelt und nicht wirklich ernst genommen werden. Hier sind wir als Gesellschaft gefordert, über eine künftige Ethik nachzudenken (und es auch nicht beim Denken zu belassen), die zum einen universalen Ansprüchen genügt, zum anderen aber auch nicht so fixiert ist, dass keine Anpassungen möglich sind, wie das bei den für alle Zeiten festgeschriebenen Religionen der Fall ist. 

Es geht hier auch um solche Dinge wie Kameradschaft, Freundschaft und Liebe, um Zusammenarbeit, Verständnis, Vertrauen und Offenheit, um Ehrlichkeit und Verantwortung. Und es geht auch darum, das Spannungsfeld zwischen Demokratie und Individualismus auf der einen und Sozialismus/Faschismus und Kollektivismus auf der anderen Seite aufzulösen. Individuum und Gesellschaft sind keine Widersprüche zueinander, sondern ergänzen sich gegenseitig. 

Das Individuum hat eine Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft, und wenn diese Erkenntnis früh in die Erziehung und das Wachstumsfeld junger Menschen einfließt und – sehr wichtig – durch das gute Beispiel der Erwachsenen bekräftigt wird, dann wird sich auch die Ausnutzung des Sozialsystems in engen Grenzen halten und durch die Meinung der Gesellschaft, die dem jetzt noch ein begrenztes Verständnis entgegenbringt, verringert werden. Wenn das richtig gehandhabt wird, dann ist das Ansehen eines Menschen nicht mehr von Geld, Macht und Besitz abhängig, sondern davon, was der Einzelne für die Gemeinschaft tut. 

Gleichermaßen ist die Gesellschaft gegenüber dem Individuum in der Verantwortung. Sie muss ein Umfeld bereitstellen, in dem sich der Einzelne optimal entfalten kann, erfüllt von Liebe, Verständnis, Kreativität, Anregungen, Möglichkeiten, Unterstützung, Förderung, Friedfertigkeit, Gemeinschaft, Sicherheit und dem Geist von Brüderlichkeit und Zusammenarbeit. In einer idealen Gesellschaft ist jede Arbeit gleich viel wert, die Gehirnchirurgie ebenso wie die Straßenreinigung oder die Krankenpflege, denn jeder hilft der Gemeinschaft im Rahmen seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten, zu erblühen. 

Gleichzeitig wäre es auch gut, wenn das Fernziel einer gerechteren und offeneren regionalen und globalen Gesellschaft Eingang in alle Bereiche der Kultur fände (also in Musik, Belletristik, Sachliteratur, Film, Theater, Diskussionsrunden), denn das was wir sehen und erleben beeinflusst ja unsere Entwicklung. Und wenn dieser Einfluss dazu genutzt würde, nicht mehr ein Bild zu zeichnen, in dem Egoismus, Macht, Geld und das Gegeneinander ein nicht hinterfragter Standard sind, sondern alternative Seinsweisen vorgestellt werden, dann würde diese Thematik auch im Bewusstsein der Menschen präsenter sein, die Auseinandersetzung mit diesem Thema anregen und zunehmend progressive Modelle und Lösungen hervorbringen. 

Unsere Zukunft darf nichts Fernes, Isoliertes sein, sondern muss im Jetzt wurzeln und leben. Und das muss kein allegorisches Wortspiel sein, sondern sollte ganz praktisch umgesetzt werden. Wenn wir uns die gesellschaftliche Entwicklung ansehen, so verlief diese von kleinen, weitgehend isolierten Gemeinschaften, in denen jeder jeden kannte und man sich gegenseitig unterstützte, zu anonymen Städten und mittlerweile Megalopolen, und eingebettet in diese Entwicklung, von Großfamilien zum Singledasein. 

In den 60er- und 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts gab es mit Wohngemeinschaften und Kommunen erste Versuche einer Gegenbewegung. Die meisten davon sind bald gescheitert: die Wohngemeinschaften, weil sie nicht genügend ideelle Substanz hatten, zu klein waren und teilweise als günstige Gemeinschaftswohnungen verstanden wurden, und die Kommunen, weil der ideelle Hintergrund manchmal zu schwach war, das rechtliche Umfeld eine weitergehende Entfaltung erschwerte und gelebter, hemmungsloser Egoismus mancher Mitglieder nicht gemeinschaftsverträglich ist. Aber die Idee ist nicht gestorben, und es gibt durchaus einige wenige überlebende Gemeinschaften und Neugründungen.

Wichtig hierbei ist ein klar definiertes, zukunftsorientiertes Ideal und Ziel, die Bemühung um stete persönliche wie kollektive Weiterentwicklung, ein Einklang zwischen Individualismus und Kollektivismus, Erkennen und Abbau von Egoismus und die Entschlossenheit, bei der Stange zu bleiben und bei Krisen und Streitfragen zu einem Konsens zu finden und, wo dies nicht möglich ist, den Stachel des Dissens eine Zeitlang zu ertragen, sofern nicht grundlegende Fragen davon betroffen sind. Je mehr und vielfältigere Gemeinschaften entstehen, desto leichter sollte es jemandem fallen, eine für sich passende zu finden. Wichtig für jede Gemeinschaft ist, dass sie sich ein hohes Ideal setzt, das sich nicht in bequemem Zusammenleben und gemeinsamem Dahindämmern erschöpft. 

Ein Wandel ist höchst selten, falls überhaupt, eine Sache, die von der große Maße ausgeht. Vielmehr wird er meist in einem oder einigen wenigen Menschen geboren und wächst dann mal langsam, mal exponentiell, je nachdem, wie bereit die Menschheit für diesen Wandel ist und wie sichtbar und verständlich die Ideen der Vordenker sind. Darum ist es wichtig, dass es gelebte Beispiele für eine zukunftsweisende Entwicklung gibt, Beispiele von Gemeinschaften wie Mirapuri, die sich diesem Wandel in alle seinen Aspekten verschrieben haben und so etwas wie ein Laboratorium der Zukunft darstellen. Die globale Gemeinschaft, die Staat und die Gesellschaft täten gut daran, solche Laboratorien zu fördern, statt auf starren Regularien zu verharren. Die Zukunft entsteht nicht durch religiöse Unwandelbarkeit, sondern durch Aufbrechen starrer Formen und stetiger Veränderung in einem Klima des Fortschritts und der Offenheit. 

Ein Wandel ist möglich – man muss ihn nur wollen, seine Idee verbreiten und ein Ziel und idealerweise auch einen groben Weg vor Augen haben.

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