Greta Thunberg und der Wandel

Greta Thunberg ist zur Zeit in aller Munde. Manche Menschen vergleichen sie mit Jesus oder nennen sie eine Heilige; andere regen sich vordergründig darüber auf, dass sie die Kinder zu Streiks während der Schulzeit aufruft, und sie meinen, die Kinder sollten nach der Schule streiken, aber das ist dann kein Streik mehr, sondern eine Demo, und zwar eine, die sehr schnell nicht mehr wahrgenommen wird, weil sie nicht mehr aneckt. Sie sehen in ihr eine Gefahr, und tatsächlich ist sei in gewisser Weise auch eine Gefahr und will und muss dies auch sein, denn ohne dieses Gefahrenbewusstsein, das sie vermittelt, wird sich niemand aufmachen, endlich etwas gegen die ganz reale Gefahr zu unternehmen, in der wir uns befinden, und mit „wir“ meine ich unsere gesamte Welt. Wir befinden uns in einem Klimawandel, der sich schon seit vielen Jahren abzeichnet und gegen den allenfalls halbherzig etwas unternommen wird. 

Die Speerspitze des Widerstands gegen Greta Thunberg scheint hierzulande Christian Lindner zu sein, der fordert, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Streiks beenden, brav zur Schule gehen und die Klimapolitik „den Profis überlassen sollen“. Nur, von welchen Profis spricht er? Die Politiker hatten ihre Chance, ohne dass sich viel bewegt hat. Manche von ihnen beschäftigen sich noch mit der Frage, ob es denn tatsächlich einen menschengemachten Klimawandel gibt, andere denken wohl, dass es Wichtigeres gibt, und dass man sich damit ja immer noch befassen kann, und wieder andere sehen ihre Wiederwahl gefährdet, wenn sie ernsthaft etwas unternehmen, und dann gibt es ja noch die Parteiräson, die verbietet, dass man eventuell einer Meinung mit dem politischen Gegner ist. Das ist in etwa ein Ausschnitt der Probleme und einer der Gründe, warum Greta Thunberg so großen Zulauf hat. Und die Klimawissenschaftler, die noch am ehesten als Profis zu bezeichnen wären, finden längst nicht genügend Gehör. Wenn Christian Lindner also aufruft, das Klima den Profis zu überlassen, dann bedeutet das im Grunde genommen, dass er nicht möchte, dass sich etwas ändert und dass die Kinder sich brav mainstreamen lassen sollen. 

Ansonsten hat es den Anschein, dass er das Feld gerne dem Erfindungsgeist der Ingenieure und der Selbstregulierung der freien Marktwirtschaft überlassen will, was nicht nur nicht funktioniert, z. B. weil die Menschen lieber Geld ausgeben, statt ihr Verhalten zu ändern (und man kann kein Geld in einen Automaten stecken, um das Klima zu veranlassen, sein Verhalten zu ändern, und es scheint auch kein zukunftsweisendes Konzept für den Einsatz des so eingenommenen Geldes zu geben), sondern sich sogar widerspricht: Die Selbstregulierung der Wirtschaft und der Industrie besteht darin, dass ihre Lobbyisten versuchen, soweit auf die Regierung Einfluss zu nehmen, dass sie möglichst wenig ändern müssen, aber mehr Geld einnehmen können. Verbrauchsarme Autos bedeuten für die Autoindustrie Umstellungen und für die Erdölindustrie weniger Umsatz, also liegt Umweltschutz nicht in deren Interesse, genauso wenig wie ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Das bedeutet auch, wenn es technologische Neuerungen gibt, dass die Platzhirsche immer versuchen werden, ihre bestehenden Produkte zu schützen. Da sie meist über genügend Mittel verfügen, können sie revolutionäre Patente kaufen und in der Schublade vergammeln lassen, um sie erst dann daraus hervorzuholen, wenn sie nicht mehr anders können. Das mag jetzt nach Verschwörungstheorie klingen, ist aber Teil der freien Marktwirtschaft. Es gibt keine Institution, wie etwa eine Technologieministerium, die dafür sorgt, dass positive Forschungsergebnisse zügig Eingang in unser globales Leben finden. Und es gibt niemanden, der darauf achtet, dass Produkte grundsätzlich langlebig hergestellt werden, was meist keines großen Mehraufwands bedarf, aber nicht im Interesse der freien Marktwirtschaft liegt. Aber es liegt im ihrem Interesse, dass wir brave Konsumenten sind und immer das neueste Smartphone unser eigen nennen wollen, und deswegen wird Werbung und Gehirnwäsche in jeder Form betrieben. Die freie Marktwirtschaft versagt, weil ihre Interessen und unsere Interessen und die Bedürfnisse des Planeten überhaupt nicht miteinander in Einklang sind. 

Und deswegen weist Greta Thunberg immer wieder darauf hin, dass man das System nicht reparieren kann, sondern dass ein neues System nötig ist. Das mag schmerzhaft sein, aber angesichts der herumlavierenden Politiker und der glitschigen und egoistischen Politik wird das wohl früher oder später unumgänglich werden. Wir sollten diesem Kind dankbar sein, dass es, zusammen mit vielen anderen Kindern und Jugendlichen weltweit, den Finger auf die vielen Wunden legt und endlich Bewegung in die Sache bringt. Dass sie ein Kind ist und vor allem Kinder anspricht, kommt aber nicht von ungefähr. Wenn man ein Kind ist, hat man noch Träume und Ideale und versucht die Welt und ihre Abläufe zu verstehen. Was man in der Regel schon sehr früh begreift und bedauert, ist die Inkonsequenz und den Selbstbetrug der Erwachsenenwelt. Als Kind ist man fähig, die Konzepte Zusammenarbeit und Gemeinschaft ganz natürlich zu verstehen. Das scheint eine Eigenheit zu sein, die noch von den Urmenschen stammt und die diese Eigenschaften zum Überleben brauchten. In unserer modernen Zeit, die von freier Marktwirtschaft und Kapitalismus, also von purem Egoismus geprägt ist, gehen diese Werte im Laufe des Erwachsenwerdens verloren, weil sie nicht wirklich gefördert oder gar vorgelebt werden. 

Der Kapitalismus kann das Klima nicht heilen und hat auch kein Interesse daran, denn der Klimawandel bedeutet, dass er neue Produkte entwickeln und verkaufen können wird. Im Übrigen lernen die Kinder in der Schule die Exponentialrechnung und wie man sie einsetzt und interpretiert. Der Grundsatz des ewigen Wachstums, der dem Wirken des Marktes zugrunde liegt, ist angesichts begrenzter Ressourcen und zunehmender Weltbevölkerung völlig neben der Spur — das wissen die Erwachsenen und das wissen die Kinder, und die Kinder verzweifeln daran, dass die Erwachsenen nichts unternehmen. In der Schule wird gerne „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch als Lektüre gelesen. Die Welt befindet sich in genau dieser Situation und unternimmt doch nichts. Dieser Vorherrschaft des quasi uneingeschränkten Umsatzgedankens muss man ein neues Weltbild entgegensetzen, eine Art Kommunalismus, in dem die Gemeinschaft einen größeren Wert als materieller Gewinn hat, und in der Individualität und Gemeinschaft aber auch keine Widersprüche sind, sondern sich harmonisch ergänzen. 

Wir brauchen einen Paradigmenwandel und eine wirklich große Zukunftsvision, auf die wir hinarbeiten können, auch wenn sie uns im Augenblick noch zu groß und undurchführbar erscheinen mag. Aber wenn wir nur kleine Ziele haben, die bei Politikern meist „Wiederwahl“ heißen, werden wir sozusagen nur einen Flicken auf den anderen setzen, aber keine neue und funktionstüchtigere Hose anschaffen oder nähen. 

Abschließend möchte ich auf etwas hinweisen, was ich weiter oben bereits angeschnitten habe, die technologischen Fortschritte. So etwa vor zehn Jahren stieß ich auf einen Artikel über Infrarot-Nanoantennen. Die Technologie wurde damals am Idaho National Laboratory entwickelt und war bis auf ein technisches Problem, das meines Wissens mittlerweile gelöst ist, nahezu einsatzreif, und die Produktion der hoch effizienten Module sollte einfach und sehr günstig sein. Diese Nanoantennen nehmen Infrarotstrahlung, also Wärmeenergie, auf und wandeln sie in Strom um. Anders als herkömmliche Solarpanels benötigen sie kein direktes Sonnenlicht und können praktisch überall eingesetzt werden. Und statt Strom in Kühlung zu investieren, kann man den Kühlvorgang zur Stromgewinnung nutzen. Nun mag Wärmestrahlung nicht so energiehaltig sein wie Sonnenlicht, aber die wesentlich günstigere Herstellung und die vielfältigeren und noch unüberschaubaren Einsatzmöglichkeiten sollten diesen Nachteil wettmachen. Wenn die Technik wie geplant funktioniert, wären die passiven und aktiven Klimawirkungen enorm, evtl. sogar für Geoengineering geeignet und auch für Länder der dritten und vierten Welt erschwinglich. Aber man sieht und hört nichts mehr davon. Warum ist das so? Für Interessierte hier zwei der noch existierenden Links. Und irgendwo habe ich auch noch ein pdf einer ausführlicheren Beschreibung gespeichert, das ich bei Bedarf weitergeben kann.

http://www.computerwoche.de/knowledge_center/home_it/1870949/

http://www.rexresearch.com/pinhero/pinhero.htm

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